Probleme der Massentierhaltung: Ministerium macht Schnabel auf

Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium hat eingestanden, dass es Missstände in Geflügel-Mastbetrieben gibt. Es will jetzt Leitlinien zum Tierschutz entwickeln - zusammen mit der Industrie.

Protest gegen das Schnabelkürzen: Niedersachsen will es sich noch mal überlegen. Bild: dpa

Der Raum ist eng. Die Puten stehen in Massen in großen Ställen auf wenig Platz so dicht beieinander, dass ihnen der Schnabel abgeschnitten wurde, damit sie sich gegenseitig nicht anpicken. Manche von ihnen sind zu fett für ihre eigenen Organe, leiden unter Herz-Kreislauf-Problemen. Andere haben entzündete Fußballen, weil der Einstreu auf dem Boden zu billig war.

So sind nicht selten die Lebensbedingungen von Puten, Masthühnern und Enten, die für die Ernährungsindustrie gezüchtet werden - auch und gerade in Niedersachsen. Das sagen zwar seit Jahren schon Tierschützer, doch jetzt hat das auch das Landwirtschaftsministerium eingeräumt. Ministerin Astrid Grotelüschen (CDU) ist bisher vor allem mit ihrer starken Sympathie für die Interessen der Züchter aufgefallen - sie kommt aus der Branche.

Das Wohl der Tiere war bisher kein Problem, die Ministerin verkaufte Niedersachsen als Tierschutz-Musterland. Doch es hat sich was getan, im Stillen: Auf einer nicht-öffentlichen Sitzung des Agrarausschusses des Landwirtschaftsministerium am 22. Oktober hat ihr Staatssekretär Friedrich-Otto Ripke Mängel in der Massentierhaltung eingestanden und "Schritte nach vorn" der Landesregierung angekündigt. Davon erfuhr die Öffentlichkeit erst am Freitag aus der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung - termingenau zum Ende der Züchtermesse Eurotier in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Die angekündigten Schritte könnten strengere Vorschriften und verbindlichere Kontrollen sein. Der Sprecher des Ministeriums, Gert Hahne, sagt, dass es bisher kaum konkrete rechtliche Grundlagen für die Geflügelmast gebe. "Es ist schwierig, überhaupt Parameter zu finden, an denen sich sowas bemisst." Er spricht davon, auch die Rechtsgrundlage von Kontrollen klarer zu gestalten: "Wir müssen die Bestimmungen so konkretisieren, dass die ausführenden Kollegen vor Ort in die Ställe reingehen und sagen können ,wir müssen hier etwas ändern'."

Allerdings sollen die geplanten Leitlinien gemeinsam mit der Wirtschaft erarbeitet werden. Und zu viel Kritik will Hahne auch nicht äußeren: Die Fleisch- oder Tierproduktion bestehe nicht aus Tierschutzproblemen, es gehe um Verbesserungen. Es gebe beispielsweise Schwierigkeiten beim Einstreu, "der ab und an zu feucht" sei. Auch das Stutzen von Schnäbeln bei den Masttieren solle "mittelfristig" abgestellt werden.

Und woher kommt die neue Sensibilität? "Der Tierschutz hat in den vergangenen Jahren einen erheblich höheren Stellenwert bekommen als das vor 10 oder 20 Jahren der Fall war. Das sind Entwicklungen, die wir natürlich sehen", sagte Hahne.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Christian Meyer, bleibt skeptisch: "Nur Worthülsen des Staatssekretärs führen noch nicht zu einer artgerechten Tierhaltung." Es dürfe nicht dazu kommen, dass das Ministerium nur Probleme benenne und "ein bisschen Forschung" anstoße. Konkrete Änderungen müssten her. Vorschläge der Grünen gegen das grausame Schnabelamputieren, für eine bessere Haltung und weniger Medikamenteneinsatz lägen auf dem Tisch. "CDU und FDP müssen diesen Anträgen im Landtag jetzt zustimmen, wenn sie es mit dem Tierschutz wirklich ernst meinen." In der realen Politik sei es doch zur Zeit noch so, dass Ministerin Grotelüschen sich für die Agrarindustrie einsetze.

Auch Wolfgang Apel, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, will mehr Tempo: "Die gravierenden Mängel, zu denen das Ministerium nun offenbar endlich Handlungsbedarf erkannt hat, sind nicht durch kleine Korrekturen behebbar." Die Haltungssysteme als Ganzes müssten verändert, die Hochleistungszucht beendet werden. Für Apel ist Niedersachsen die "Hochburg der Geflügelqual". Das finde hoffentlich ein Ende.

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