Polizeiaufrüstung: Schlagstock außer Kontrolle

In Bremen und Hamburg bekommt die Polizei eine neue Waffe: den "Einsatzstock. Kurz. Ausziehbar". Bürgerrechtler warnen vor einer Eskalation der Gewalt.

Raus - und drauf: der EKA. Bild: dpa

3.400 Polizisten in Hamburg tragen den Schlagstock schon am Hosenbund, 5.100 Exemplare sollen noch angeschafft werden, bis alle Polizisten mit ihm ausgestattet sind - auch die Knöllchenschreiber und die Bezirklichen Ordnungsdienste. Und auch in Bremen werden die 2.550 Polizeibeamten seit 2009 sukzessive mit dem Teleskop-Schlagstock ausgerüstet, von der Polizei liebevoll kurz "EKA" genannt - "Einsatzstock. Kurz. Ausziehbar".

Allerdings haben Bürgerrechtler erhebliche Bedenken. "Die alltäglich Gefahr von schweren Verletzungen und Tötung steigt", warnt der Hamburger Rechtanwalt Paul Bedick, Ex-Vorstandsmitglied der Humanistischen Union in Hamburg. "Es wird bei Routineeinsätzen tödliche Folgen geben."

Auch bei der Schlägerei zwischen Polizisten und jugendlichen Passanten in Hamburg-Neuwiedenthal am 26. Juni war der Teleskopstock im Einsatz. Das im Internet kursierende Amateurvideo von den Vorfällen sorgten für Furore: Es zeigt zwei Polizisten, von denen der eine, mit dem Schlagstock in der Hand, einem Jugendlichen zuruft: "Kommt her, du Feigling!" Der andere schlägt ungehemmt mit seinem Stock auf einen wehrlos am Boden liegenden Mann ein, weil dieser angeblich in ein Gebüsch gepinkelt hatte. In der Folge kommt es zu einer Massenschlägerei, wobei der Prügelpolizist offensichtlich von einem aufgebrachten Kampfsportler ins Gesicht getreten wird und einen schweren Jochbeinbruch erleidet.

Hamburg plant die flächendeckende Einführung des "Einsatzstock. Kurz. Ausziehbar" (EKA ) bis 2013

365.000 Euro hat die Hansestadt bislang für den Kauf des EKA an die Firma Bonowi gezahlt.

Zu den ersten, die ihn bekommen haben, gehören die 1.797 Beamten der Polizei- und Wasserschutzpolizei-Kommissariate.

Die Bereitschaftspolizei bekommt den neuen Schlagstock erst mittelfristig - sie verfügt schon bisher über den asiatischen "Mehrzweckeinsatzstock" Tonfa, auch "Knochenbrecher" genannt.

Zur Aushändigung des EKA erhalten Polizeibeamte eine Fortbildung von vier Unterrichtseinheiten à 45 Minuten. Im theoretischen Teil, der 30 Prozent ausmacht, wird Rechtskunde durchgenommen. 70 Prozent des Unterrichts dienen der Einübung von Block-, Stoß-, Schlag-, Abdräng- und Eingriffstechniken.

Ein Einsatztrainung nach der Einführung gibt es beim EKA nicht - anders als beim Tonfa, wo jeder Beamte einmal mim Monat eine Trainingseinheit absolvieren muss.

Nach dem Waffengesetz ist der Teleskop-Schlagstock als gefährliche Waffe verboten.

Anfang 2009 hatte Polizeipräsident Werner Jantosch die neue Schlagstock-Ära angekündigt: Der alte Gummiknüppel, seit Generationen im Einsatz, sei out. "Er hat bei den Kollegen keine Akzeptanz gefunden", konstatierte Jantosch während einer Präsentation im Polizeipräsidium. Bei der Entwicklung des neuen EKA durch die Firma Bonowi habe die Hamburger Polizei "federführend" mitgewirkt, die Einführung des neuen Stocks koste eine Million Euro.

Der Teleskop-Schlagstock ist 500 Gramm schwer, im eingefahrenen, defensiven Zustand gerade mal 20 Zentimeter lang und problemlos am Gürtel zu tragen. Mit einer kurzen Schlagbewegung lässt sich der aus dem Halfter genommene EKA auf 50 Zentimeter ausfahren, so dass man - wie Polizeikreise anpreisen - damit eine Kokosnuss zerschmettern kann. "Damit wird die Lücke zwischen Pfefferspray an einem Ende und dem Schusswaffengebrauch am anderen Ende durch ein effektives Einsatzgerät dazwischen geschlossen," erklärte Jantosch.

Die Ausrüstung der Bremer und Hamburger Polizei mit dem EKA ist bislang von der Öffentlichkeit weitgehend geräuschlos aufgenommen worden. Doch nun übte er Bremer Bürgerrechtsanwalt Rolf Gössner scharfe Kritik: Die Einführung des EKA durch den rot-grünen Bremer Senat sei "hochproblematisch". "Die Verletzungsrisiken im Vergleich zum herkömmlichen Schlagstock sind bis heute nicht wirklich erforscht - weder die Gefahr von Knochenbrüchen, Schulter-, Kopf-, Gelenks- und Rückgratverletzungen, noch die Gefahr tödlicher Folgen", schreibt Gössner in einem Aufsatz. "Kein unabhängiger Sachverständiger ist zuvor über die Beschaffenheit, Handhabung und Wirkung des EKA gehört worden."

Der Hamburger Bürgerrechtler Bedick hat mehrere Politiker angeschrieben: Es werde nicht nur ein "alter gegen einen "neuen modernen" Schlagstock ersetzt, sagt Bedick. "Vielmehr wird die Hamburger Polizei mit einer Waffe ausgerüstet, die im Gegensatz zum alten Gummiknüppel mit tödlicher Wirkung eingesetzt werden kann, ohne dass es die gesetzlichen Einschränkungen für den tödlichen Waffengebrauch gelten."

Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass nur der Einsatz einer Schusswaffe tödliche Folgen haben könne, sagt Bedick. "An eine Schlagwaffe mit tödlicher Wirkung hat er nicht gedacht." Polizisten mit einem EKA würden faktisch in die Lage versetzt, "eine Art Todesstrafe sofort anzuordnen und sie sofort zu vollstrecken - und zwar fast nach freiem Belieben und auch fast ohne jedes Risiko."

Während der Gebrauch einer Schusswaffe "im Extremfall" genauestens begründet werden müsse und eine Lebensgefahr oder die Gefahr einer schwerwiegende Verletzung voraussetze, brauche sich der Beamte mit dem EKA nur etwas "herbeifantasieren" und behaupten, der Tatverdächtige oder Störer habe sich "sehr aggressiv verhalten", so dass der Einsatz von Pfefferspray untauglich gewesen sei, und dann bedauerlicherweise seinen Kopf unvorhergesehen in Schlagrichtung gehalten. "Und schon kann der Polizist strafrechtlich nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden."

Bedick äußert die Hoffnung, dass die Grünen im Rahmen der "aktuellen Profilschärfung diesen Wahnsinn stoppen und rückgängig machen". Eine Forderung, die auch die innenpolitische Sprecherin der Hamburger Linkspartei, Christiane Schneider, unterstützt: "Der muss weg, der ist gefährlich."

Die Innenexpertin der mitregierenden Grünen, Antje Möller, kann allerdings nur bedingt Hoffnungen machen. Sie habe sich schon bei der Einführung kritisch gezeigt und angekündigt, "wenn es zu schweren Verletzungen komme, dann muss der Einsatz überprüft werden", sagt Möller. Sie werde das Thema nochmal in der Innenbehörde ansprechen.

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