Erderwärmung: Weibliche Krokodile bald Mangelware

Die neue Dauerausstellung "Erleben, was die Welt bewegt" im Bremer Übersee-Museum zeigt sehr plastisch die Wirkung des Klimawandels auf die Natur und lässt sich durchaus wie ein Geschichtsbuch der Zukunft lesen.

Bedrohter Planet: schwebender Globus im Bremer Übersee-Museum. Bild: Museum

Dominieren bei den Stumpfkrokodilen bald die Männer, ist das kein Zufall: Der Klimawandel gibt den Ausschlag. Denn das Geschlecht des Krokodils wird nicht genetisch bei der Befruchtung festgelegt. Entscheidend ist die Temperatur beim Ausbrüten der Eier. Wird es wärmer, ist der Nachwuchs öfter männlich. Der konkrete Effekt: Über das "Gender-Leben" des Krokodils wird demnächst das Klima entscheiden.

Auf Zusammenhänge wie diesen wollen die Macher der neuen Ausstellung im Bremer Übersee-Museum hinaus: "Erleben, was die Welt bewegt" heißt sie und leuchtet globale Phänomene auf ihre Verknüpfungen hin aus: Neben Gender und Klimawandel zieht die Ausstellung dafür fünf weitere Themen heran: Migration, Menschenrechte, Zeit, Kommunikation und Weltwirtschaft.

Der Parcours spinnt ein dichtes Netz zwischen den Themen. Denn der Klimawandel ist nicht nur der Eisbär, der auf der schmelzenden Eisscholle versinkt - auch, wenn er natürlich pflichtschuldigst vorkommt. Aber es wird der Eisbär - nebst Verweis auf andere Klima- und Umweltflüchtlinge - ganz schlicht in einen Zeitstrahl der Migrationsgeschichte eingereiht. Wie Menschen heute im Klimawandel aus verödeten Landstrichen fliehen, wirkt da schon mächtig bedeutsam. Das hängt vor allem mit der Darstellung zusammen, die das aktuelle Phänomen neben der großen Völkerwanderung auflistet, wie in einem Geschichtsbuch der Zukunft: Das ist gelungener Minimalismus.

Konzeptionell zielt die Ausstellung allerdings immer auch auf den Lokalbezug ab. Für die Themen Migration und Kommunikation bemühen die Kuratoren hier einen Callshop als Kulisse: Ein zentrales Exponat ist ein riesiger, auf Fotowänden imitierter Bremer Laden.

Über Kopfhörer kann man dabei verfolgen, wie Migranten ihre eigenen Geschichten erzählen. So etwa der Kurde Ferhat Dogan, der die Türkei verließ und nun in Bremen lebt. Oder Lotti Levy Abraham, eine Bremer Jüdin, die vor den Nazis nach Großbritannien floh.

Diese Geschichten fügen sich letztlich zu einem höchst plastischen Eindruck von Migration in Stadtbild und Stadtgeschichte. Das globale Phänomen Callshop bleibt im Gegensatz dazu leider nur unverbindliche Kulisse. Die Verbindung zwischen Kommunikation und Migration bleibt damit löchrig.

Auch sonst fallen immer wieder unmotivierte Kulissen auf: Das berühmte Foto des von Napalm verbrannten Mädchens aus dem Vietnamkrieg wurde auf die Vitrinen des Themenbereichs Menschenrechte tapeziert. Doch zu oft schon wurde dieses Bild bemüht. Das ermüdet.

Im Bereich Klima dagegen forscht man selbst. Da steht man irgendwann vor einer Vitrine mit zwei Tellern und erfährt: Das Hähnchenmenü verursacht 2218 Kilogramm Kohlendioxid, Rinderfilet und Beilage 7692. Warum kein vegetarisches Beispiel gewählt wurde, erfährt man nicht. Aber wie auch immer - die Ausstellung sensibilisiert für die eigene Rolle - zumindest ein bisschen. Wer so etwas nicht mag, ist hier falsch. Vor einem erhobenen Zeigefinger muss sich aber niemand fürchten: Die Schwelle zum Moralisieren wird nicht überschritten.

Das Übersee-Museum hatte in den letzten Jahren vor allem Ausstellungen über einzelne Kontinente gezeigt und war dabei immer vom Lokalen aufs Globale gekommen. Die aktuelle Ausstellung geht anders vor: Das Phänomen Globalisierung ist vorrangig, und erst im zweiten Schritt wurden Exponate aus der Sammlung gewählt. Sie eint nicht ihre Herkunft, sondern ihr Potenzial, Globalisierung fassbar zu machen.

Das Krokodil etwa war schon oft ausgestellt, aber sein Schicksal im globalen Klimawandel macht es noch einmal zum Hingucker. Der Apolloschmetterling, mit einer männlichen und einer weiblichen Körperhälfte, fasziniert. Dieser zoologische Zugang zum Gender-Thema erfrischt. Daneben flimmern Filme zu Inter- und Transsexualität. Taschen aus Neu-Guinea offenbaren etwa, dass sich Geschlechtszuschreibungen nicht im biologischen Geschlecht erschöpfen. Je nachdem, wie die Tasche am Körper sitzt, macht sie männlich oder weiblich: Diese Mischung von Ansätzen profiliert das Übersee-Museum gegenüber klassischen naturkundlichen Museen.

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