Kein Gastspiel für Professor Daschitschew

Umstrittener Redner aus Moskau tritt nun doch nicht bei der Staats- und Wirtschaftspolitischen Gesellschaft in Kiel auf. Von den rechtsextremen Verbindungen des Publizisten will nun nicht mal mehr der Gastgeber etwas gewusst haben

Die „Sonderveranstaltung“ fällt aus. Eigentlich hätte die Staats- und Wirtschaftspolitische Gesellschaft (SWG) heute um 19.30 Uhr Wjatscheslaw Daschitschew, Mitglied der Moskauer Akademie der Wissenschaften und einst enger außenpolitischer Berater Michail Gorbatschows, in Kiel begrüßen wollen. Am Donnerstag jedoch erklärte der schleswig-holsteinische Regionalverantwortliche der SWG, Stephan Ehmke: „Wir sagen ab.“

Zum Umdenken dürfte bei Ehmke, der für die CDU im Kieler Stadtrat sitzt, politischer Druck geführt haben: Daschitschew ist unter anderem bei der NPD und der rechtsextremen „Gesellschaft für freie Publizistik“ willkommen und zählt zudem zum Vorstand der rechtsextremen „Kontinent Europa Stiftung“. Nach Angaben norddeutscher Verfassungsschutzbehörden ist der Russe eine „internationale Größe des Rechtsextremismus“.

In der SWG-Einladung hatte Ehmke den Gast aus Moskau noch einen „herausragenden Vertreter der russischen Politik“ genannt. Der taz sagte er nun, dass „unvollständige Informationen“ überhaupt zu der Einladung geführt hätten. „Hätten wir diese Informationen gehabt, wäre keine Einladung erfolgt“, beteuerte Ehmke am Donnerstag, und dass er gegen „jede Form des Extremismus“ sei.

In der Kieler CDU-Ratsfraktion, sagt deren Chef Robert Cordes, sei Ehmke „nie mit rechtslastigen Aussagen aufgefallen“. Weniger lobend äußert sich sein Grünen-Pendant Lutz Oschmann: „Herr Ehmke ist ein Einzeltäter“, so Oschmann: „Wir begrüßen, dass er die Veranstaltung absagte.“ Im Kieler Rat koalieren die Grünen mit der Union.

Schon am Vormittag reagierte indes der Deutsche Marinebund. Auch bei diesem Dachverband von Marinekameradschaften und -vereinen hätte der Professor aus Moskau sprechen sollen – kurzfristig wurde er ausgeladen.

Immer wieder fällt die SWG durch einschlägige Referenten auf. Mehr noch: Der stellvertretende Hamburger Verfassungsschutzchef Manfred Murck sagte 2001 über die Organisation: „Uns sind personelle Überschneidungen zu rechtsextremen Organisationen bekannt.“ Auch Wolfgang Gessenharter, emeritierter Politologe an der Hamburger Helmut-Schmidt-Universität sprach unlängst von der Vereinigung als einem „wichtigen Scharnier zwischen Konservatismus und Rechtsextremismus“.

Peter Deutschmann, Vorsitzender des DGB-Bezirks Nord, forderte die CDU auf, sich von der SWG zu distanzieren – „sonst muss man sich fragen, ob sie überhaupt in der Lage ist, sich ernsthaft mit rechtsextremen Tendenzen in unserer Gesellschaft auseinander zu setzten.“ Auch der SPD-Landesvorsitzende Ralf Stegner forderte am Donnerstag „klare Worte“ von CDU-Landeschef Peter Harry Carstensen sowie Kreischef Thomas Stritzk.

Die schleswig-holsteinische CDU pressemitteilte derweil, man begrüße die Absage: „Das schnelle Handeln zeigt, mit welcher Entschlossenheit sich die CDU gegen Personen oder Organisationen wendet, die nicht auf dem Boden des freiheitlich-demokratischen Rechtsstaates stehen.“ ANDREAS SPEIT