Brutale Schläge für ein Lachen

TÄTER ODER OPFER? Zwei Rechtsextreme stehen in Hamburg wegen eines Angriffs auf einen dunkelhäutigen Mann vor Gericht. Sie wollen sich nur gewehrt haben, geben aber zu, ihm ins Gesicht gespuckt zu haben

Zwei Neonazis müssen sich vor dem Amtsgericht Hamburg-Barmbek seit Mittwoch wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft Michael A. und Marco N. vor, in Hamburg Carl S. getreten und geschlagen zu haben.

Die Beschuldigten im Alter von 34 und 44 Jahren, die seit Jahren in der rechtsextremen Szene aktiv sind, wiesen den Vorwurf von sich, sie hätten den dunkelhäutigen Carl S. angegriffen und verletzt. Im Gegenteil: Michael A. räumte nur ein, dem Briten am 22. August 2009 bei einer Flugblatt-Verteilaktion auf der Bramfelder Chaussee ins Gesicht gespuckt zu haben. Carl S. habe ihn dann angegriffen, sich in seinem rechten Ohr festgebissen und seinen Pullover zerrissen, sagte der Beschuldigte – und legte Fotos, ein ärztliches Attest und den kaputten Pullover vor. Michael A., der einst mit der verstorbenen Nazigröße Michael Kühnen marschiert war, beteuerte vor Gericht, Opfer und nicht Täter zu sein. Marco N. sagte, dass er Michael A. nur habe helfen wollen.

Jenen Tag hat Carl S. ganz anders in Erinnerung: Am Vormittag war er mit Frau und Kind auf der Chaussee, sie kamen von der Post, wollten zum Bäcker. Auf der anderen Straßenseite stand ein Infostand von Die Linke. Rechtsextreme verteilten Flugblätter. „Als ich sah, wie ein Passant einem Rechten das Flugblatt ins Gesicht warf musste ich lachen“, sagte Carl S. vor Gericht. Zu viel für Michael A.: Vor der Bäckerei ging er auf Carl S. zu, bespuckte ihn. „Dann verlief alles ganz schnell“, sagte Carl S. Zwei weitere Rechte, Marco N. und ein Unbekannter, hätten ihn in die Bäckerei gedrängt, getreten und geschlagen. Er flog gegen eine Glastheke. Schnell habe einer der Rechten ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, so Carl S., der im Prozess als Nebenkläger auftritt.

„Ich hatte große Angst“, sagte Carl S. Ein Arzt attestierte später zwei Rippenbrüche, Hämatome, Hals- und Augenverletzungen. „Bis heute ist ein Ohr durch die Schläge beeinträchtigt“, bestätigte er auf Nachfrage des Richters.

Die Frau von Carl S. sagte als Zeugin aus, dass ihr fünfjähriger Sohn, der den Vorfall mit ansehen musste und selbst etwas Pfefferspray abbekam, seitdem unter Folgeschäden leide. „Er ist traumatisiert, hat begonnen zu stottern und hat starke Trennungsängste.“ Der Prozess wird fortgesetzt. Ein Urteil wird am kommenden Mittwoch erwartet.ANDREAS SPEIT