Räumchen-wechsel-dich in Oldenburg

LESUNG Die Nordwest-Zeitung begrüßt Thilo Sarrazin – kurzfristig aber an einem anderen Ort als geplant. Auch eine Gegenveranstaltung muss umziehen: Der angemietete Saal ist zu klein für den Besucherandrang

Die Polizei wusste von der Verlegung, die Öffentlichkeit nicht

Eine Lesung Thilo Sarrazins und eine kritische Podiumsdiskussion unter dem selben Dach: Es schien ein interessanter Mittwochabend in Oldenburg zu werden. Interessant wurde er auch – auch wenn am Ende keine der beiden Veranstaltungen am geplanten Ort, dem Kulturzentrum PFL, stattfand: Sarrazin zog in die Weser-Ems-Halle um, die von den Grünen organisierte Gegenveranstaltung in die St.-Peter-Kirche.

Die ausverkaufte Lesung Sarrazins, der auf Einladung der Nordwest-Zeitung (NWZ) in Oldenburg sprach, begann an neuem Ort mit leichter Verzögerung. Moderator Reinhard Tschapke, Kulturchef der Zeitung, bat um Verständnis: Offenbar waren „doch einige zum falschen Veranstaltungsort“ gefahren, man wolle noch warten. Karteninhaber berichten, im Vorfeld von der NWZ von der Änderung in Kenntnis gesetzt worden zu sein. Die Adressen waren dem Veranstalter bekannt, da Eintrittskarten nur gegen einen auszufüllenden Coupon erhältlich waren.

Die Polizei, mit 150 Einsatzkräften vor Ort, wusste von der Verlegung, die Öffentlichkeit nicht – und im PFL hielten NWZ-Mitarbeiter so lange wie möglich den Eindruck aufrecht, alles verlaufe wie geplant. Neben der Gegenveranstaltung hatten Sarrazin-Kritiker auch eine Kundgebung angekündigt. Die begann pünktlich. Als aber das Gerücht von der verlegten Lesung durchsickerte, machten sich die Demonstranten eilig auf den Weg zur knapp zwei Kilometer entfernten Halle.

Im PFL blieben die Besucher der Gegenveranstaltung: Rund 500 Menschen, die sich nun vor dem gebuchten Raum mit 90 Sitzplätzen drängten. Grünen-Ratsherr Kurt Bernhardt versuchte daraufhin, die NWZ zur Überlassung des von ihr reservierten, weitaus größeren Saals zu bewegen: keine Chance, so Bernhardt: Der „NWZ-Mann hatte keine Nummer eines Verantwortlichen“.

Woraufhin man kurzfristig in die gegenüber liegende Forumskirche St. Peter umzog, die voller gewesen sein dürfte als an manchem christlichen Feiertag. Thilo Sarrazin, „Mann des Jahres 2010“ der einladenden Zeitung, las derweil vor rund 300 zahlenden Gästen aus seinem umstrittenen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“. MAIK NOLTE