Bildungsrstreik: Leonard will weniger Stress

Bremer SchülerInnen treten nachdrücklich für ihre Belange ein: Sie wollen mehr LehrerInnen, bessere Bücher, mehr Zeit und längeres gemeinsames Lernen

Bildungspolitik: Auch Fünftklässler können für ihre Belange eintreten Bild: Anna Gras

Heftig bläst Leonard in die Trillerpfeife. Im Schneeregen steht er auf dem Bahnhofsvorplatz. Um ihn herum seine KlassenkameradInnen. "Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut", ist ihr Schlachtruf.

Leonard ist zehn. Er besucht die fünfte Klasse am Kippenberg-Gymnasium. Er ist am Donnerstagvormittag zum Bahnhofsvorplatz gekommen, weil er streikt. Zum ersten Mal in seinem Leben. Mit ihm viele andere: Von 2.000 sprechen das Bremer SchülerInnenbündnis und die Gesamtschülervertretung, von 700 die Polizei. Darunter viele junge SchülerInnen wie Leonard. Fünftklässler, Sechstklässler, Siebtklässler.

Was Leonard fordert? Kleinere Klassen, sagt er. Dringend. 31 SchülerInnen seien in seiner. "Es ist viel stressiger geworden im Unterricht", sagt er. Auf der Grundschule seien sie nur 21 gewesen. "Das war entspannter, auch für die Lehrer."

In Sternmärschen sind die SchülerInnen von ihren Schulen zum Bahnhof gezogen, von dort geht es weiter zur Bildungsbehörde am Rembertiring und zur Kundgebung vorm Rathaus. Tanzend, mit Musik und immer wieder mit lauten Rufen.

Erst im vergangenen Herbst hatte es deutschlandweit Bildungsproteste gegeben. In Bremen zieht es die SchülerInnen wieder auf die Straße. "Seit den letzten Streiks wurde auf unsere Forderungen gar nicht eingegangen", sagt Jonas Deyda, Organisator der Demo. "Es gibt keine Bemühungen, an den Problemen etwas zu ändern." Überfüllte Klassen und zu wenig LehrerInnen seien nur zwei davon. Turbo-Abi nach zwölf statt 13 Schuljahren, Leistungsdruck, Frontalunterricht, das Notensystem.

"Wir sind mit einer Lernsituation konfrontiert, in der es nur um Durchbeißen und Konkurrenz geht", sagt Jonas. Und dann noch das Zwei-Säulen-System aus Gymnasien und Oberschulen, wie es das neue Schulgesetz vorsieht. "Das wird zwar als eine Schule für alle propagiert - so wie wir es uns wünschen", sagt er, "es gibt aber weiterhin verschiedene Schulformen und die Schüler werden selektiert".

Die SchülerInnen hätten "grundsätzlich andere Vorstellungen von Bildung", sagt Jonas: Selbstbestimmt und gemeinsam wollten sie lernen. An Schulen, die gerecht seien und auf die Bedürfnisse der Einzelnen eingingen. Der Siebtklässlerin Aylin geht es zunächst um das, was ihr tagtäglich fehlt: "Zeit", sagt die 13-Jährige. "Der Stoff muss viel zu schnell durchgenommen werden." Ihr Klassenkamerad Ole ärgert sich, dass gerade 30 Euro für einen neuen Atlas fällig waren. Die Schule habe ihm zwar einen zur Verfügung gestellt. "Aber der war so alt", sagt Ole, "da war noch die DDR drin".

Wie reagiert das Bildungsressort auf die Beschwerden der SchülerInnen? "Uns wurde nichts zugetragen", sagt Behördensprecher Manfred Ruberg. Man habe die Kundgebung zwar bemerkt, "doch es hat von Seiten der Schüler keine Kommunikation mit uns gegeben". Die bildungspolitische Sprecherin der Grünen, Anja Stahmann, lobt das Engagement der SchülerInnen. "Sie setzen sich, entgegen aller Unkenrufe, für ihre Belange ein." Ansonsten verweist Stahmann auf die laufende Schulreform. Ab kommendem Jahr würden rund 100 zusätzliche Referendare eingestellt.

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