Bremen / Rostock: Partnerschaft von Stasi-Gnaden

Als Bremen 1987 mit Rostock eine Städtepartnerschaft vereinbaren durfte, passte die Staatssicherheit auf, dass nicht "Zusammengehörigkeitsgefühl" gestärkt würde

Zu Wendezeiten in Bremens Partnerstadt: Foto aus der Ausstellung "Rostock vor und mit der Wende 1986-1990", die bis 28. September im Wall-Saal der Stadtbibliothek zu sehen ist Bild: Monika Thein von Plottnitz / Stadtbibliothek

Noch drei Jahre vor der deutschen Einheit herrschten zwischen Ost-Deutschland und West-Deutschland eisige Beziehungen - das kommt sehr plastisch in der Geschichte der Städtepartnerschaft Bremen - Rostock zum Ausdruck, deren Bilanz gerade in einer Broschüre aufgearbeitet wird. Lothar Probst (Uni Bremen) und Johannes Saalfeld (Uni Rostock) haben aus den Archiven die damaligen Zustände rekonstruiert.

Als 1986 die Kommunalpolitische Vereinigung-West (KPV) in einem Grundsatzpapier feststellte, Städtepartnerschaften sollten "die Bewahrung des Zusammengehörigkeitsgefühls der Deutschen zum Ziel" haben, da war das nur eine Bestätigung für die Haltung, die der Staatsratspräsident Erich Honecker 1983 festgelegt hatte: Städtepartnerschaften sind unerwünscht, weil sie die DDR destabilisieren.

Das wollte die Bremer SPD natürlich nicht. Als dank des guten Verhältnisses von Oskar Lafontaine zu Erich Honecker im Frühjahr 1986 die ersten deutschen Städtepartnerschaft zwischen Saarlouis und Eisenhüttenstadt vorbereitet wurde, stellte die Bremer CDU den Antrag, für Bremen eine Hansestadt "in der DDR" zur Partnerin zu gewinnen. Die DDR-Seite wollte nicht - wie die CDU - nationales "Zusammengehörigkeitsgefühl" pflegen, sondern erhoffte sich von der Inszenierung internationaler Kontakte staatspolitische Anerkennung. Das Bremer Interesse wurde über Kontakte zur DDR-Spitze in Berlin und ein Gespräch von Bürgermeister Klaus Wedemeier (SPD) mit Erich Honecker eingefädelt. Berlin gab grünes Licht, der Rostocker Oberbürgermeister durfte am 18. 8. 1987 unterschreiben.

Für die Städtepartnerschaft wurden "Jahrespläne" ausgehandelt, in denen die meisten der konkreten Bremer Austausch-Wünsche nicht vorkamen. 16 Stasi-Mitarbeiter kontrollierten auf Rostocker Seite jeden Kontakt, selbst kleine Geschenke wie Taschenrechner wurden als "Missbrauch der Partnerschaftsbeziehung" und Versuch der Unterwanderung interpretiert. Als Henning Scherf (SPD), damals Sozialsenator, einmal mit einer Jugendgruppe nach Rostock zu Kontakten mit handverlesenen DDR-Jugendlichen fuhr, lernten die Bremer Besucher, dass dort "offene Kritik (...) automatisch als staatsgefährdende Tendenz" interpretiert wurde. Erich Mielke, der Stasi-Chef, wertete die vielen Fragen der Bremer Jugendlichen als "feindliches Vorgehen" und "neue Methode der Gesprächsaufklärung".

Die Staatssicherheit war so besorgt über die Kontakte in der Städtepartnerschaft, dass sogar Briefe an den Oberbürgermeister von Rostock Wochen unterwegs waren - sie wurden abgefangen, in Berlin bearbeitet und kamen mit Vorschlägen für die korrekte Antwort dann im Ratshaus in Rostock an.

Auch auf der Bremer Seite hatte die Staatssicherheit natürlich ihr "Ohr". Wedemeier erinnert sich, dass er damals manchmal überrascht war, wie gut die DDR-Seite über Bremer Vorüberlegungen Bescheid wusste. Aus der Stasi-Akte des damaligen Regierungssprechers Reinhold Ostendorf geht hervor, dass die Quelle im Kulturressort gesessen haben könnte. Kulturelle Basis-Kontakte waren der DDR-Seite besonders suspekt.

In den Jahren 1987 bis 1989 gab es - angeregt durch die Städtepartnerschaft - viele private Besuche von Bremern in Rostock, die von der dortigen SED nicht abgesegnet waren. Richtig bunt wurde es erst nach dem November 1989. Ganze Sonderzüge fuhren in die eine und in die andere Richtung, Bremen schickte erfahrene Staatsbeamte zur Hilfe beim Aufbau Ost und manche Bremer Firma engagierte sich vornehmlich in Rostock. Gleichzeitig schlief die offizielle Partnerschaft Anfang der 90er Jahre ein. Dass der Konkursverwalter des Bremer Vulkan 1995 offenbarte, die Gelder für die Modernisierung der Rostocker Werft seien schlicht "weg", hat das Verhältnis der Rostocker zu Bremen nachhaltig gestört.

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