FAMILIENHILFE: Paten- statt Pflegefamilien

Seit drei Jahren vermittelt ein Projekt dauerhafte Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern. Nun will das Sozialressort das Modell ausbauen.

"Familien in schwierigen Lebenslagen" - wie hier in Frankfurt - brauchen besondere Unterstützung. Bild: dpa

Manchmal komme ihr Patenkind sofort die Treppen herauf gestürmt, um ihr zu erzählen, was es im Kindergarten erlebt hat, und manchmal weine es auch, wenn seine Mutter es am Wochenende bei ihr abgibt. Carola Leferink lächelt, wenn sie vom Alltag mit dem heute sechsjährigen Jungen erzählt, um den sie sich seit 2006 kümmert.

Seine Mutter ist psychisch krank und kann ihren Sohn manchmal nicht ausreichend betreuen. Leferink ist Patin im Patenschaftsmodell für Kinder psychisch kranker Eltern des Amts für soziale Dienste und PIB - Pflegekinder in Bremen. Der Modellversuch wurde vor sechs Jahren gestartet, 2007 endete die Testphase.

Gestern stellte die Professorin für Soziale Arbeit der Hochschule Bremen, Sabine Wagenblass, einen Evaluationsbericht vor. Derzeit gibt es zwölf Patenschaften für Kinder psychisch kranker Eltern, von der "klassischen" Familie bis zu Alleinstehenden. Insgesamt wurden seit Beginn des Programms knapp 40 Kinder betreut. Doch laut Evaluation ist mindestens jeder fünfte Patient in der stationären Psychiatrie Mutter oder Vater - hochgerechnet auf den Raum Bremen macht das rund 2.000 Kinder.

Wagenblass ist eine der ersten, die untersucht hat, inwiefern ein solches Projekt den Betroffenen tatsächlich Hilfe bietet. Insgesamt werden von allen Seiten recht gute Noten verteilt. Eltern und Paten schätzen, dass die Kinder in ihren Familien bleiben können. Deshalb will die Stadt Bremen das Projekt auch weiter ausbauen und eventuell auch auf andere Zielgruppen ausweiten. Unter anderem sei eine solche Unterstützung auch für kinderreiche Familien oder Kinder chronisch kranker Menschen denkbar, sagte ein Vertreter des Amts für Soziale Dienste.

Allerdings mangelt es noch immer an Familien, die eine Patenschaft übernehmen wollen. Dabei ist es dafür nicht notwendig, eine Ausbildung im sozialen Bereich absolviert zu haben. Es gehe vielmehr darum, den Kindern zusätzliche, stabile Bezugspersonen und Unterstützung im Alltag zu bieten, sagt Eva Rhode von PIB.

Die Kinder gehen an festgelegten Wochentagen zu ihren Paten und leben mit ihnen den ganz normalen Alltag, wie Hausaufgaben, gemeinsame Mahlzeiten und Unternehmungen. Dadurch wird eine stabile Bindung aufgebaut, die vor allem in Krisenzeiten helfen soll. Kommen die Eltern oder das alleinerziehende Elternteil in stationäre Behandlung in eine Klinik, betreuen die vertrauten Paten das Kind für diese Zeit. Allerdings sollen die Paten "keine Ersatzfamilie" für das Kind sein, sondern eher eine Art "Ergänzungsfamilie", so Wagenblass.

Ein Problem, dem sich die Betreuer der PIB oft stellen müssen, sei die Angst der Eltern, ihre Kinder zu verlieren. Sobald es bei der Vermittlung der Patenschaft konkret wird, machen diese "häufig einen Rückzieher", sagte Rhode.

Andererseits werden Kind und Eltern aber entlastet und mit der Zeit wächst das Vertrauen. Laut Wagenblass ist das besonders wichtig in Krisenzeiten, denn oft genug gehen die Betroffenen aus Sorge um ihre Kinder nicht in die Klinik. Darunter leiden die Kinder besonders.

Paten- und Betroffenenfamilie müssten "zueinander passen wie zwei Puzzlestücke", damit das Projekt glückt, sagte Wagenblass. In ihrem Bericht stellt sie fest, dass die "Lebens- und Erziehungsstilen nicht zu weit auseinander klaffen" dürfen.

PIB sucht derzeit nach neuen Patenfamilien.

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