Hausbesetzung: "Das ist hier kein Kinderspiel"

Zum Auftakt der Kampagne "Leerstand zu Wohnraum" nehmen Aktivisten das Haus Juliusstraße 40 in Besitz. Polizei hat technische Probleme bei der Räumung.

Schöner wohnen im stilecht besetzten Stadthaus. Bild: Hendrik Doose

Anpfiff nach Abpfiff: Unmittelbar nach dem Fußballspiel des FC St. Pauli am Samstagnachmittag entrollt eine Gruppe des Netzwerkes "Recht auf Stadt" auf dem Balkon des Hauses Juliusstraße 40, Ecke Schulterblatt ein Transparent mit der Forderung "Leerstand zu Wohnraum." Danach bringen sie im ersten Stock ein Banner mit der Aufschrift "besetzt" an und schließlich ein Tuch mit der Losung "Miethaie zu Fischstäbchen". Zum ersten Mal seit Jahren ist in Hamburg wieder ein Haus besetzt worden.

Parallel dazu wird auf dem Portal der besetzten Roten Flora die Botschaft angebracht: "Squat the City" - die Formel für die Inbesitznahme leer stehenden Wohnraums gegen den Willen des Eigentümers. Die konzertierte Aktion ist der Auftakt einer Kampagne gegen den Leerstand von Büroraum. Deren vorläufiger Höhepunkt soll am kommenden Samstag eine Demonstration von 98 Gruppen zum ehemaligen Astra-Turm sein.

Anlässlich der Hausbesetzung versammelten sich innerhalb kurzer Zeit rund 300 Leute vor dem Haus an der Schanzen-Piazza. Eine Volxküche wird aufgebaut. Leute mit Masken des Bürgermeisters Christoph Ahlhaus (CDU) werfen Luftschlangen von den Balkons und schießen Leuchtraketen in die Luft. Aus Lautsprecherboxen dröhnen laute Rap-Strophen und gelegentlich Parolen: "Wenn wir nicht den Raum bekommen, den wir brauchen, müssen wir ihn uns nehmen". Oder: "Die Besetzung von Leerstand muss legalisiert werden".

Das Haus Juliusstraße 40 im Schanzenviertel gehört Ernst-August Landschulze. Es steht seit vier Jahren fast leer. Landschulze hat den BewohnerInnen gekündigt, um es sanieren zu können.

Die zweite Haushälfte nahm Landschulze parallel in Angriff. Der am Schulterblatt gelegene Teil des Gebäudes war im zweiten Weltkrieg zerstört worden.

Mit viel Aufwand ließ Landschulze diese Haushälfte in ihrer ursprünglichen Gestalt aufbauen. Stilelemente wie Deckenstuck, Verkachelung und Badezimmer wurden aufwändig kopiert.

Die einzige Mieterin, Charlotte Schmidt (Name geändert), hat sich gegen die Umgestaltung ihrer Wohnung gewehrt und ist nicht umgezogen. Landschulze will ihre Räume mit Räumen aus dem Neubau zu einer Wohnung über die ganze Etage zusammenlegen. Nach einer solchen Veränderung des Grundrisses wäre die Miete für Schmidt unbezahlbar.

Unvermietet gelassen hat Landschulze den Rest des Hauses gelassen. Eine Anzeige von Mieter helfen Mietern wegen Zweckentfremdung liegt dem Bezirksamt Altona seit Juni vor.

1,17 Millionen Quadratmeter Büroraum stünden leer. 40.000 Wohnungen hätten darin Platz. Früher habe man "vergammelte Altbauten" besetzt, nun habe man sich ein Haus genommen, dass zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden solle. "Luxus für alle".

Die Juliusstraße 40 steht seit fast vier Jahren fast leer. Sie gehört dem Immobilienbesitzer Ernst-August Landschulze, der weitere Wohnungen in der Susannenstraße und Beim Grünen Jäger leer stehen lässt. Als Einzige hat ihm Charlotte Schmidt (Name geändert) getrotzt. Die Mutter hat sich gegen ihren Rausschmiss (taz berichtete) bislang erfolgreich zur Wehr gesetzt. Schmidts Wohnung ist in dem neuen Grundriss nicht mehr vorgesehen (siehe Kasten).

Auf der Piazza findet die Aktion größtenteils Zustimmung. "Toll, dass endlich was passiert", sagen viele unisono. Nur eine Frau erregt sich. "Ihr macht alles kaputt, ich bin jetzt hier Anwohnerin", kreischt die langhaarige blonde Enddreißigerin in Designer-Klamotten und mit weißen Zwergpudel im Arm eine Unterstützerin an. "Das gehört doch jemanden", stammelt sie. "Der kann doch tun, was er will."

Nach zwei Stunden rücken 400 Polizisten an. Ohne Pardon gehen sie gegen die vor der Haustür Versammelten vor, schubsen sie weg und schlagen mit dem Kampfstock Tonfa. Zwei Wasserwerfer spritzen in die Menge, die sich jedoch von der Piazza nicht vertreiben lässt.

Währenddessen geht das Rap-Konzert und das Raketenfeuerwerk der Besetzer aus dem Haus weiter. Vereinzelt fliegen Flaschen Richtung Polizei. Über die Lautsprecher werden die Leute aufgefordert: "Distanzieren und entfernen Sie sich von den Störern und Straftätern, sonst werden auch gegen Sie Zwangsmittel eingesetzt. Das ist hier kein Kinderspiel." Stimmt, weshalb auch niemand geht. Gelegentlich kommt es deshalb zu Ausfällen der Polizei-Greiftrupps. Fast 30 Minuten braucht die Polizei, trotz Einsatz von Rammbock, Brechstangen und Kettensäge, um die Treppenhaustür zu knacken. Sieben Besetzer werden festgenommen, am Rande vier weitere Personen.

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