Atomkraftwerke : Horch hat Sicherheitsbedenken

Der designierte Wirtschaftssenator rückt von seinem Pro-Kernenergie-Kurs ab. Privat habe er schon länger Bedenken zur Langzeitwirkung dieser Technologie gehabt.

Verkappter Atomkraftgegner: Frank Horch, Wirtschaftssenator in spe. Bild: dpa [Montage]

HAMBURG taz | Die Übereinstimmung zwischen Bürgermeister Olaf Scholz und seinem künftigen Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dürfte seit der Atomkatastrophe in Japan bei 98 statt wie bisher bei 95 Prozent liegen.

Am Dienstag hat Horch im NDR angekündigt, er werde seine Haltung zur Atomkraft überdenken. Die Ereignisse in Japan müssten "Anlass sein, über die Gesamtsituation der Kernenergie neu nachzudenken", sagte Horch im Radio. Auch über die beschlossene Laufzeitverlängerung müsse gesprochen werden.

Horch hatte sich als ehemaliger Vorsitzender des Industrieverbandes Hamburg (IVH) und als Handelskammer-Präses dafür stark gemacht, die Laufzeiten der deutschen Atomkraftwerke zu verlängern.

Andernfalls drohe eine "Versorgungslücke". Diese Position behielt er auch bei, nachdem er Olaf Scholz Angebot angenommen hatte, als Wirtschaftssenator in den künftigen SPD-Senat einzutreten.

Horch plädierte für einen Energiemix unter Einschluss der "Brückentechnologien Kohle und Atom", bis der Energiebedarf aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden könne.

Hier bestünden "gewisse Differenzen zum Parteiprogramm der SPD", räumte er bei seiner Vorstellung am 13. Januar im Elysée-Hotel an. Scholz stellte damals fest: "In den Kernfragen der Wirtschaftspolitik sind Herr Horch und ich zu 95 Prozent einer Meinung."

Dem NDR sagte Horch, die von ihm vertretene Position zum Thema Atomenergie habe er als Vertreter der Wirtschaftsregion geltend gemacht. Dabei habe er das Dreieck aus Versorgungssicherheit, Umweltverträglichkeit und Bezahlbarkeit im Auge haben müssen.

Privat habe er zu den Langzeitauswirkungen der Atomkraft immer Bedenken gehabt. "Ich bin durch die jüngsten Ereignisse noch einmal sehr viel nachdenklicher geworden", sagte Horch.

Hamburg habe zwar keine Atomkraftwerke auf seinem Territorium. Der Senat könne aber mit den Betreibern der Meiler rund um die Stadt sprechen und auf deren Sicherheitsstandards einwirken. Es müsse alles getan werden, um eventuelle Risiken auszuschließen.

Barbara Meyer-Bukow, die Sprecherin des Energiekonzerns Vattenfall, der an den drei Atomkraftwerken in der Nachbarschaft Hamburgs zwischen 20 und 67 Prozent beteiligt ist, zeigte sich offen: "Wir sind jederzeit bereit, Gespräche zu führen", versicherte sie.

Dass die AKWs Krümmel, Brunsbüttel und Brokdorf nicht auf Hamburger Gebiet stünden, spiele dabei keine Rolle. "Im Grunde fühlen wir uns als Hamburger Unternehmen", sagte Meyer-Bukow.

Allerdings habe sich die Lage schon weiterentwickelt. Weil die Bundesregierung die Laufzeitverlängerung für drei Monate ausgesetzt hat, werden die beiden alten Kraftwerke Brunsbüttel und Krümmel vorübergehend nicht betrieben. "Wir haben Verständnis dafür, dass die Bundesregierung die Situation überdenkt", versicherte Meyer-Bukow.

Nach Ansicht Horchs sollte auch grundsätzlich über die Laufzeiten der Atomkraftwerke diskutiert werden, nicht nur derjenigen um Hamburg herum, sondern deutschland- und sogar weltweit. Er sei mit Bürgermeister Scholz im Gespräch, "wie sich die SPD, wie wir uns als Hamburger Wirtschaft in dieser Frage neu positionieren müssen".

In einem taz-Interview Anfang März hatte Scholz bereits angekündigt, Hamburg werde sich an der Klage gegen die Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke beteiligen, "wenn das rechtlich möglich ist".

Ende Februar hatten fünf SPD-geführte Länder beim Bundesverfassungsgericht geklagt. Sie monieren, dass die schwarz-gelbe Koalition den Atomkonsens nur mit Zustimmung des Bundesrates hätte kündigen dürfen. In keinem dieser Länder steht ein Atomkraftwerk.

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