Polizei missachtet Versammlungsrecht: Wiederholungstäter Polizei

Verwaltungsgericht erklärt Vorgehen der Polizei bei einer Spontandemonstration zur Razzia im Stadtteilzentrum Rote Flora für rechtswidrig.

Laut Verwaltungsgericht nicht zulässig: "Einschließende Begleitung" bei einer Demonstration am Hamburger Hafen. Bild: dpa

Die "einschließende Begleitung" einer Spontandemonstration und das Verbot von Transparenten mit einer Länge von mehr als 1,50 Metern ist rechtswidrig. Beide Polizeimaßnahmen stellen aus Sicht des Hamburger Verwaltungsgerichts einen Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit dar. "Zum ersten Mal ist die einschließende Begleitung in einem Hauptsacheverfahren vom Verwaltungsgericht für rechtswidrig erklärt worden", sagt Marc Meyer. Der Anwalt vertritt den Anmelder jener Demonstration gegen eine vorangegangene Razzia in der Roten Flora.

Am frühen Morgen des 6. Juli 2008 hatte auf dem Schulterblatt ein Mann seine Freundin verprügelt. Aus der Roten Flora eilten der Frau mehrere Personen zur Hilfe. Ein Besucher setzte Reizgas gegen den mit einem Messer bewaffneten Schläger ein, bevor er die Frau in die Flora in Sicherheit brachte. Stunden später stürmte die Polizei das Stadtteilzentrum - auf der Suche nach dem Helfer.

Am Abend des selben Tages kam es zu einer Spontandemo, als deren Versammlungsleiter sich der Flora-Aktivist Andreas Blechschmidt zur Verfügung stellte. Zu seiner Verblüffung präsentierte ihm Polizei-Einsatzleiter Hartmut Dudde eine vorformulierte Verfügung - Inhalt: eine Gefahrenprognose des Staatsschutzes sowie die erwähnte Auflage die Transparentgröße betreffend.

Wenig später beschlagnahmten Beamte unter Gewalteinsatz ein Transparent, das die Demonstranten seitlich mitführten. Eben dies bezeichnete das Verwaltungsgericht unter Vorsitz von Richter Kaj Niels Larsen nach der Beweisaufnahme als "rechtswidrig". Gleiches gelte für die seitliche Begleitung insofern, als "die Polizeibeamten im Anschluss an die Sicherstellung des Plakates in einer durchgehenden Reihe neben dem Demonstrationszug gegangen sind". Die Beschränkung der Transparentlänge, so das Gericht weiter, "hindert die Meinungskundgabe".

Auch die Gefahrenprognose sei mangelhaft gewesen: "Als Grundlage der Prognose sind konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte notwendig", zitieren die Richter das Bundesverfassungsgericht. Man sei überzeugt, "dass keine hinreichend konkreten Anhaltspunkte dafür bestanden haben, dass es im Laufe der Demonstration zu Straftaten, insbesondere Gewalttätigkeiten im Schutz der Transparente kommen würde".

Allein das äußere Erscheinungsbild der Demonstranten reiche nicht aus: "Schwarze Bekleidung - insbesondere Kapuzenpullover und Hosen - ist keine dem sogenannten Schwarzen Block vorbehaltene ,Uniform', sondern ist gerade im Umkreis der Roten Flora eine nicht ganz untypische Bekleidungswahl, die für sich allein keinen Rückschluss auf die jeweilige Gewaltbereitschaft des Trägers zulässt." In seinem Urteil unterstellt das Gericht der Polizei gar Wiederholungsgefahr: Die von Blechschmidt per Klage gerügten Maßnahmen - Beschränkung der Transparentlänge sowie die seitliche Begleitung - "gehören offenbar zum weiterhin gültigen Einsatzkonzept der Polizei", so das Gericht.

Flora-Anwalt Meyer hat indes wenig Hoffnung, dass das Urteil Einfluss habe "auf die versammlungsfeindliche Haltung der Polizei": Häufig bereits habe die Polizei in der Vergangenheit Maßnahmen getroffen, so Meyer, "von denen sie wusste, dass Gerichte sie als rechtswidrig bewerten" würden.

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