Egbert Rühl, Geschäftsführer Kreativ Gesellschaft: "Wir verschicken niemanden"

Seit Mittwoch ist die Immobiliendatenbank der Kreativ Gesellschaft online. Geschäftsführer Egbert Rühl über die Kunst, Künstlern Raum zu verschaffen.

Viktoria-Kaserne: die Künstler sollten dort länger bleiben dürfen, findet Egbert Rühl. Bild: Miguel Ferraz

taz: Die Kreativ Gesellschaft soll Arbeitsräume für kreativ Tätige in Hamburg finden und vermitteln. Wie kommen Sie damit voran?

Egbert Rühl: Es gibt eine starke Nachfrage seitens der Kreativen, man nimmt uns und unser Angebot also wahr. Es gibt auch ein Angebot an Immobilien. Leider übersteigt die Nachfrage das Angebot deutlich.

Wie arbeiten Sie mit der Stadt zusammen?

Wir sind mit der Kulturbehörde und der Finanzbehörde - die am Ende ja alle Immobilien im Besitz der Stadt betreut - in regelmäßigem Austausch. Die Finanzbehörde hat uns mehrere Immobilien genannt, die zur Nutzung frei sind. Das sind leider oft Immobilien, die eher peripher gelegen sind.

Ex-Stadtentwicklungssenatorin Anja Hajduk hat im Sommer "eine Kultur der Offenheit für kreative Milieus" gefordert. Gibt es diese Offenheit in der Finanzbehörde?

Die könnte natürlich noch größer sein. Man muss sagen, dass die Finanzbehörde eine andere Aufgabe hat als die Kreativ Gesellschaft. Die Finanzbehörde soll Immobilien gewinnbringend für die Stadt verwerten. Wir sollen Immobilien für kreativwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung stellen. Diese beiden Aufgaben sind nicht immer in Deckung zu bringen.

53, leitete ein Kulturzentrum in Mannheim, ehe er Geschäftsführer der Hamburg Kreativ Gesellschaft wurde.

Hat die Stadt Angst vor Zwischennutzung durch Kreative, seitdem sie mit dem Gängeviertel erlebt hat, wie aus einer Zwischennutzung ein dauerhafter Zustand wird?

Wir hören in der Tat immer wieder, dass die Mieter aus dem Bereich Kreativwirtschaft nicht vertragstreu seien. Wir sagen: Wenn der Markt in Hamburg verknappt wird, dann haben die Nutzer ja keine andere Möglichkeit, als an den Orten zu bleiben, die sie einmal angemietet oder nutzbar gemacht haben. Wir empfehlen allen Immobilien-Playern, den Markt zu öffnen. Wenn man in Hamburg als kreativ Tätiger davon ausgehen kann, dass man wieder etwas Gutes findet, dann hat man nicht mehr die Not, da zu bleiben, wo man gerade ist.

Das klingt einleuchtend.

Aber es ist schwer zu lernen. Die Anbieter sagen: Die Erfahrungen sind schlecht und deshalb machen wir den Markt knapp. Das ist genau der falsche Weg.

Können Sie die Kreativen verstehen, wenn die sagen: Wir haben keine Lust, an die Peripherie geschickt zu werden?

Ich kann das Argument gut verstehen. Aber wir verschicken niemanden. Wir können nur Angebote machen. Wir stellen natürlich sehr genau fest, dass bestimmte Angebote eine hohe Attraktivität haben und andere nicht.

Gehört die Zwischennutzung quasi naturgemäß zum kreativen Arbeiten?

Es muss Zwischennutzungen geben, aber sie sind nicht die einzige Lösung. Es muss auch Objekte geben, die langfristig genutzt werden können. Auch, um nötige Investitionen refinanzieren und bestimmte Orte entwickeln zu können.

An welche Orte denken Sie da beispielsweise?

Bei der Viktoria-Kaserne in Altona hätten wir gerne, dass die Nutzer ein Modell entwickeln, das die jetzige Nutzung durch die Frappant-Gruppe verstetigt.

Wie könnte so ein Nutzungskonzept aussehen?

Die Frage ist: Wie etabliere ich dort eine Mischung von Nutzern aus solchen, die mehr bezahlen können und solchen, die weniger bezahlen? Die Miete von dem, der glaubhaft nur drei oder vier Euro Miete pro Quadratmeter zahlen kann wird subventioniert von dem, der 15 Euro zahlen kann, so dass am Ende eine schwarze Null steht.

Sind Sie auch an dem Ringen um die Zukunft der Roten Flora beteiligt?

Nein, und darüber bin ich auch nicht unglücklich. Die Rote Flora gehört ja einem privaten Immobilieneigner, der das Objekt benutzt, um sich eine gute Verhandlungsposition gegenüber der Stadt zu verschaffen. Außerdem versucht er, Immobilien durch kreative Nutzung zu Marken zu machen. Das heißt, er instrumentalisiert die kreativen Nutzungen in seinem Interesse. Wenn das ein Geschäft ist, das die Kreativen bewusst eingehen, dann ist das legitim.

Wie nehmen Sie die Roten Flora wahr?

Ich finde, die Rote Flora hat für das Quartier zwar eine Bedeutung, aber keine positive Ausstrahlung in das Quartier hinein.

Inwiefern?

Man kann natürlich darüber nachdenken, ob es so einen Ort für diese Klientel in einer Stadt wie Hamburg geben sollte. Ich nehme aber auch wahr, dass sich die Rote Flora in einer Ghetto-Situation befindet. Daran sind die Nutzer nicht schuldlos, die sich oft ziemlich abschotten.

Immobiliendatenbank online:
Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.