Hajduk verspricht Radlerhimmel

Aktionstag „Mobil ohne Auto“ in Hamburg mit angeblich 10.000 TeilnehmerInnen. Die neue Umweltsenatorin Anja Hajduk (GAL) stellt Förderung des Radverkehrs in der ganzen Stadt in Aussicht

„Ich werde mich daran messen lassen: Es wird anders werden!“

VON SVEN-MICHAEL VEIT

10.000 TeilnehmerInnen an der Fahrradsternfahrt nach und durch Hamburg, wie der Veranstalter Allgemeiner Deutscher Fahrradclub (ADFC) wissen ließen, mögen es kaum gewesen sein. Und wenn doch, dann schafften sie es nicht bis zur Abschlusskundgebung am Sonntagnachmittag auf der Moorweide vor dem Dammtor-Bahnhof. Die gut 1.000 Menschen, die sich dort auf Fahrrädern jeglichen Typs und Alters einfanden, durften sich immerhin einer Beinahe-Premiere erfreuen: Ein Mitglied des Hamburger Senats gelobte ihnen Besserung.

„Hamburg soll eine fahrradfreundlichere Stadt werden“, versprach die grüne Senatorin für Stadtentwicklung und Umwelt, Anja Hajduk. Nach dem grünen Umweltsenator Alexander Porschke im Jahr 2001 ist Hajduk nach sieben Jahren Pause die erste Senatorin, die sich an der Fahrradsternfahrt zum bundesweiten Aktionstag „Mobil ohne Auto“ beteiligte.

Für ihre Vorgänger aus CDU und Schill-Partei war das noch undenkbar gewesen; ihr direkter Amtsvorgänger Axel Gedaschko hatte beim ersten senatseigenen autofreien Sonntag am 19. Januar dieses Jahres (siehe Kasten) auf dem Jungfernstieg zu Demonstrationszwecken immerhin sechs Minuten lang in die Pedale getreten. Hajduk hingegen war aus dem heimatlichen Winterhude auf einer der 20 Routen eine gute Stunde lang im Regen in die Innenstadt geradelt. Und so stand denn bei aufklarendem Himmel eine Senatorin in geringeltem Sweat-Shirt, Jeans und Turnschuhen auf der Bühne und versprach unter heftigem Beifall: „Ich werde mich daran messen lassen: Es wird anders werden!“

Denn Hamburg mit seinen vielen Grünzügen und Gewässern könnte „eigentlich die ideale Fahrradstadt sein“, sagte Hajduk. Im Alltag allerdings sei das Radfahren in der Hansestadt „oft unattraktiv, unbequem oder sogar gefährlich“. Und um das zu ändern, solle die Fahrradstrategie des Radforums in vollem Umfang umgesetzt werden mit dem Ziel, den Anteil des alltäglichen Radverkehrs in Hamburg „bis 2015 zu verdoppeln“, sagte Hajduk.

Zurzeit wird knapp jeder zehnte Weg in der Stadt mit den Rad zurückgelegt, in sieben Jahren soll es jeder fünfte sein. Das noch vom CDU-Senat im vorigen Jahr wieder belebte Fahrradforum – in dem Behörden, Polizei, HVV, ADFC und ADAC sowie der Radsportverband und der Verkehrsclub Deutschland sitzen – hatte zudem angeregt, die Sperrzeiten für Fahrräder in U- und S-Bahnen aufzuheben, Radfahren auf der Straße zu erlauben und das im Jahr 2001 beerdigte Velorouten-Konzept des damals abgewählten rot-grünen Senats wieder aus den Schubladen zu holen.

Mobil ohne Auto wollte auch schon der ehemals allein regierende CDU-Senat sein. Allein schon, um das Klima zu schützen. Deshalb skizzierte er im vorigen Jahr ein Klimaschutzprogramm, das in großen Teilen dort begann, wo die ökologischen Vorhaben des von 1997 bis 2001 regierenden rot-grünen Senats beendet wurden – Stadtbahn, Velorouten, autofreie Tage. Deshalb rief der CDU-Senat im Januar zu vier autofreien Sonntagen in Hamburg in diesem Jahr auf. Der erste am 19. Januar fiel ins Wasser, der zweite am 20. April rühmte sich einiger Tausend umweltfreundlich mobiler TeilnehmerInnen. Deutlich messbar waren lediglich die Passagierzuwächse von etwa 25 Prozent im HVV, dessen Nutzung an diesen Tagen kostenlos war. Am 13. Juli und 12. Oktober soll es noch zwei weitere senatseigene autofreie Sonntage geben. Die ADFC-Fahrradsternfahrten „Mobil ohne Auto“ sollen davon unabhängig in jedem Juni weiterhin stattfinden.  SMV

Die ganztägige Radtransport im HVV solle „zunächst in einem Modellversuch“ getestet werden, so Hajduk. Ein „grüner Ring von mehr als 100 Kilometer Länge“ durch Hamburg werde demnächst für Radfahrer ausgeschildert, kündigte sie an. Und ab dem nächsten Frühjahr werde es in Hamburg ein Leihfahrrad-System „mit über 1.000 Fahrrädern“ geben. Solche Ausleihsysteme funktionieren selbst in Metropolen wie Paris besser als von den Befürwortern erwartet.

Zwischen Samba-Rhythmen und kontrolliert biodynamischen Erfrischungen von den Ökomarkt-Ständen war Hajduk der warme Beifall der Versammelten gewiss. Selbst ihr Hinweis, dass die im Fahrradforum „unter maßgeblicher Beteiligung des ADFC formulierten Ziele jetzt ausdrücklich auch die Ziele der schwarz-grüne Koalition sind“, wurde beklatscht.

Radfahrer in Hamburg sind schon zufrieden, wenn sie sich ausnahmsweise mal Ernst genommen fühlen.