Bauausstellung unter Beschuss

Kritiker befürchten, dass der Stadtteil an seinen Bewohner vorbeientwickelt werde. Manche wehren sich gegen Strukturveränderungen, andere kritisieren den Mangel an konkreten Verbesserungen

Die IBA ist ein Prozess, mit dem die Lebensbedingungen im Stadtteil über mehrere Jahre hinweg verbessert werden sollen. Die zentrale Idee ist, dass mitten in der Großstadt, auf der Elbinsel zwischen der City und Harburg, Stadtentwicklung betrieben wird. Dabei will das IBA-Büro wegweisende Lösungen für das 21. Jahrhundert finden. Sie orientieren sich an drei Themenkreisen: dem Zusammenleben vieler unterschiedlicher Ethnien, dem Klimawandel und den „inneren Stadträndern“, denn Wilhelmsburg ist umgeben von Hafen-, Industrie- und Verkehrsflächen. KNÖ

VON KRISTINA GERSTENMAIER

Gegen die Internationale Bauausstellung (IBA) 2013 in Wilhelmsburg regt sich Widerstand. Kleingärtner sorgen sich um ihre Oasen, Studenten um die billigen Mieten, andere bemängeln, dass die Bewohnerschaft nicht genügend an den bevorstehenden Veränderungen beteiligt werde. „Die IBA ist nur für die IBA da“, behauptet Michael Rothschuh, Professor für soziale Entwicklung.

Obwohl sich IBA-Mitarbeiter, Investoren und die Bewohner Wilhelmsburgs einig waren, dass im Stadtteil etwas passieren muss, haben sich seit dem Auftakt im vergangenen Jahr mehrere kritische Initiativen gebildet. „Es besteht die Gefahr, dass hier wohnende Menschen durch Mietsteigerungen und durch die Umwandlung von Sozial- in Eigentumswohnungen vertrieben oder in Randbereiche abgedrängt werden“, sagt der Journalist und Stadtteilaktivist Andreas Grünwald. Dies betreffe vor allem Migrantenfamilien und Wenigverdiener. Seit Monaten beschäftigt er sich im Aktionskreis „Wilhelmsburg gehört uns!“ damit, wie man „die asozialen Komponenten der ‚Durchmischung‘ genannten Vertreibung eines Teils der Bevölkerung“ entgegentreten kann.

Die Immobilienpreise stiegen zwischen 2005 und 2007 schon von 1.018 Euro pro Quadratmeter auf 1.233 Euro. Das städtische Wohnungsunternehmen Saga vermeldet keinen Leerstand mehr, seit viele Studenten und Künstler in Wilhelmsburg ihre Zukunft sehen. Eine Mietsteigerung gebe es jedoch nicht, sagt eine Saga-Sprecherin.

Sanierungsarbeiten im Reiherstiegviertel haben bereits begonnen. Dabei werden in einem IBA-Projekt die Außenfassaden der Gründerzeitgebäude erneuert. Das „Weltquartier“, das Menschen von über 30 Nationalitäten beherbergt, wird unter Beteiligung der BewohnerInnen umgebaut. Die 820 Wohnungen des Quartiers sollen renoviert und vergrößert werden, so dass 130 wegfallen. Allerdings werden auch neue Wohnungen gebaut.

Bei den Projekten werde nicht viel herauskommen, unkt Michael Rothschuh. Auch Projekte, die sich erst einmal positiv anhörten, seien nicht nachhaltig. Sie würden nur angegangen, um 2013 etwas präsentieren zu können. Das so genannte Open House, bei dem „ein buntes Straßenleben“ mit Geschäften und Cafés entstehen werden soll, hält er für überfrachtet. Auch Andreas Grünwald spricht von einer „reinen Inszenierung“.

Es gebe kein einziges Projekt, das den Bewohnern nutze, behaupten einige. „Ihr habt viel versprochen, aber umgesetzt wurde bis jetzt nichts“, schimpfte Günther Katz, Vorsitzender des Bürgervereins, bei einer IBA-Veranstaltung. Der Zollzaun am Spreehafen im Norden des Stadtteils solle endlich geöffnet werden, damit die Anwohner Zugang zum Wasser hätten. Ein Fahrradweg solle den Stadtteil mit dem Alten Elbtunnel und St. Pauli verbinden.

„Der IBA stehen eine Millionen Euro zur Verfügung“, kritisiert Jörg von Prondzinski, der seit seiner Geburt im Stadtteil lebt. „Dafür wird Goldlametta gekauft und in die Luft gepustet.“ Eigentlich werde nur die Werbetrommel gerührt, um Investoren anzulocken.

Gute Ansätze wie der Themenschwerpunkt „soziale Stadt“ seien zwar vorhanden, meint Michael Rothschuh, aber die IBA habe keine Erfahrung damit. Deswegen sei die Umsetzung unzureichend. „Eine Befragung im Weltquartier ist keine längerfristige Bürgerbeteiligung“, sagt Rothschuh.

Die Bürgerbeteiligung ist der IBA wichtig. „Hier gibt niemand fertige Lösungen vor – schon gar nicht gegen den Willen der Betroffenen“, teilt sie im Internet mit. Tatsächlich hat sie schon eine Reihe von Diskussionsforen auch unter Beteiligung von Bewohnern veranstaltet. Eine Ausstellung in einem ehemaligen Supermarkt gibt einen Überblick über die Themen und Pläne.

Für Jörg Prondzinski steht fest, dass das grundlegende Problem Wilhelmsburgs der Lärm ist, dessen Lösung nicht angegangen werde. Im Zuge des IBA-Kultursommers, der in erster Linie Werbung für den Stadtteil machen solle, habe der Lärm sogar noch zugenommen. „Es wird versucht, Negativ-Lärm, wie die Container vom Hafen, mit Positiv-Lärm zu überdecken“, moniert er.

Prondzinski ist Mitbegründer der Lärmschutzinitiative „60 Dezibel“, die der IBA vorwirft, die lärmempfindliche Bevölkerung verdrängen zu wollen. Zwar würde die IBA gern die zentrale Wilhelmsburger Reichsstraße verlegen und den Durchgangsverkehr um den Stadtteil herumlenken. Doch zugleich plant der Senat einen neuen Containerhafen am Rande des Stadtteils.

Auch unter den Kleingärtnern regt sich Widerstand. Die Gruppe „Zornige Gartenzwerge“ kämpft um ihre Kolonie Bauernfelde, die teilweise geräumt werden soll. Die Gärten sollen Teil des Geländes der mit der IBA verbundenen Gartenschau werden. Die meisten Kleingärten sollen aber nur umgestaltet werden. Die Kleingärtner üben grundsätzliche Kritik an den IBA-Projekten: „Schwachsinn ist es“, sagt Kleingartenbesitzer Ronald Wilken, „wenn Grün gegen Grün kämpfen muss.“

Beileibe nicht alle Wilhelmsburger sehen die IBA so kritisch. Manuel Humburg von der Bürgerinitiative „Zukunft Elbinsel“ könnte vieles von den allgemeinen Projekten unterschreiben. Er glaubt nicht, dass der Stadtteil nach ökonomischen Kriterien umstrukturiert wird. „Der Mensch braucht mehr als bezahlbaren Wohnraum“, meint er, „zum Beispiel Bildung“. Darum kümmere sich die IBA in Gestalt einer neuartigen Stadtteilschule. Einige Kritiker argumentierten „unglaublich oberflächlich“.