Hamburg gehen Azubis aus

AUSBILDUNGSMARKT Hansestadt hat wieder mehr Lehrstellenangebote nach dem krisenbedingtem Einbruch. Der doppelte Abijahrgang macht keine Probleme

Von 2008 auf 2009 ging die Zahl der betrieblichen und öffentlich finanzierten Lehrstellen von 10.004 auf 8.656 zurück.

■ Noch stärker sank die Bewerberzahl – von 8.354 auf 6.362.

■ Unbesetzt blieben im Jahr 2009 genau 2.294 Stellen – 644 mehr als 2008.

■ Mädchen wählen bevorzugt „Frauenberufe“. So liegt der Frauenanteil bei medizinischen Fachangestellten bei 98 Prozent.

■ Jungen schlagen Laufbahnen ein, in denen Männer dominieren. Bei den KFZ-Mechatronikern liegt die Männerquote bei 75 Prozent.

Es ist eine frohe Botschaft, doch ihr Hintergrund ist unklar. „Das erwartete Drama mit dem doppelten Abiturjahrgang ist ausgeblieben“, verkündet Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL) erleichtert am Dienstag – dass in diesem Sommer 12.000 statt 7.000 AbiturientInnen die Hamburger Schulen verlassen, führe nicht zu einem Engpass auf Hamburgs Ausbildungsmarkt. Im Gegenteil: Noch immer gäbe es rund 1.500 unbesetzte Lehrstellen, darunter auch viele attraktive Lehrberufe.

Gesucht werden Auszubildende im Dienstleistungsbereich, im Einzelhandel oder in der sich erholenden Hafenwirtschaft, aber auch im Handwerk und im Speditionsgewerbe gibt es noch freie Plätze. „Die Lage ist entspannter als wir dachten“, freut sich Goetsch.

Warum vergleichsweise wenig Abiturienten in qualifizierte Lehrberufe drängen, gibt der Behörde Rätsel auf – dort spekuliert man, ob viele frisch gebackene SchulabgängerInnen erst mal ein freiwilliges soziales Jahr oder einen Auslandsaufenthalt einschieben. Unklar sei noch, wie sich die Hamburger AbiturientInnenschwemme auf die Universitäten auswirke: Hier laufen die Zulassungsverfahren erst an.

Entspannt ist die Ausbildungslage auch, weil Hamburgs Betriebe nach dem krisenbedingten Einbruch 2009 wieder mehr Lehrstellen anbieten und mit bislang rund 13.500 Ausbildungsverträgen fast das Rekordhoch von 2008 erreichen. Zurück geht hingegen die Schülerzahl. Während der demographische Wandel in der Hansestadt kaum zuschlägt, sinken in den schleswig-holsteinischen und niedersächsischen Nachbargemeinden, aber auch im Osten die SchülerInnenzahlen rapide.

Freute sich Mecklenburg-Vorpommern 1990 noch über 30.000 frisch gebackene AbiturientInnen, so sind zwanzig Jahre später weniger als 10.000 am Start. Und auch in Schleswig-Holstein nimmt die SchülerInnenzahl bis 2020 um rund 14 Prozent ab. Da bislang rund 43 Prozent der Jugendlichen, die in Hamburg eine Lehrstelle fanden, aus dem Umland kommen, droht Hamburg schon bald akuter Azubi-Mangel. „Unsere Nachbarländer werden bald allen ihren Schulabgängern Lehrstellen anbieten können“, ahnt Goetsch.

Ungelöst bleibt das Problem der Jugendlichen, die kaum beschulbar und nicht ausbildungsreif sind. „Die jüngsten Hamburger Gewalttaten, die Schlagzeilen machten, wurden stets von Jungerwachsenen begangen, die weder eine Ausbildung noch einen Abschluss haben“, sagt Goetsch.MARCO CARINI