„Behutsamer verhalten“

„Kaffeehausgespräch“ über Literatur und Ökologie

taz: Frau Wozonig, ist das Öko-Thema in der Literatur neu?

Karin Wozonig: Nein, die Literaturwissenschaft befasst sich seit 40 Jahren damit. Das liegt daran, dass die ersten Werke über moderne Umweltzerstörung aus den 1970er Jahren stammen.

Bis dahin war die Natur für Autoren kein Politikum?

Doch. Letztlich ist jede Naturbeschreibung politisch – ob Sie die Romantik nehmen, die Natur als Sehnsuchtsort begriff, oder die Industrialisierung, deren Folgen Charles Dickens beschrieb.

Welche Bücher besprechen Sie heute mit dem Publikum?

Auf jeden Fall Kleists Novelle „Das Erdbeben von Chili“, in dem eine Naturkatastrophe die mühsam aufgebaute soziale Ordnung stört. Vielleicht Margaret Atwoods „Jahr der Flut“, das die Angst vor dem Untergang durch eine menschengemachte Katastrophe spiegelt. Und bestimmt Schätzings „Schwarm“.

Welche Wirkung können solche Romane haben?

Wenn sie sich darauf beschränken, unsere Fehler aufzuzeigen – oder den bloßen Schrecken, wie es Schätzing tut: keine. Ich halte es eher mit Literatur, die sich – in welchem Jahrhundert auch immer – dem Machtverhältnis von Mensch und Natur widmet.

Das klingt recht allgemein.

Auf den ersten Blick schon, und die Wirkung von Literatur ist ja immer subtil. Aber Kleists „Erdbeben“ etwa kann uns dazu bringen, uns innerhalb unserer Umgebung – auch der Natur – zu verorten und uns letztlich behutsamer zu verhalten. INTERVIEW: PS

19 Uhr, Chavis Kulturcafé, Detlev-Bremer-Str. 41