„Die SPD stellen“

GRÜNE POLITIK Jens Kerstan, am Montag als GAL-Fraktionsvorsitzender wiedergewählt, über die Zukunft der Hamburger Grünen

■ 45, ist Diplom-Volkswirt und seit Oktober 2002 Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft. Seit Mai 2008 ist er Vorsitzender der GAL-Fraktion. Foto: dpa

taz: Herr Kerstan, welche Lehren muss die GAL aus dem Wahlergebnis ziehen?

Jens Kerstan: Wir müssen in der Opposition erst einmal eine kritische Bilanz über unsere Regierungszeit ziehen, um uns dann strategisch neu ausrichten.

Was heißt das konkret?

Wir müssen anerkennen, dass wir in der Regierung bei Großprojekten unsere Gestaltungsmacht überschätzt haben und es bei Themen wie der Stadtbahn versäumt haben, die Bürgerinnen und Bürger mitzunehmen. Daraus gilt es Lehren zu ziehen: Wir müssen stärker in einen Bürgerdialog einzusteigen, wenn es darum geht, neue Politikangebote und eine Vision zu entwickeln, wie das Leben in einer Großstadt aussehen soll.

Man hört aus dem GAL-Umfeld, es sei ganz gut, dass die GAL nicht von einer Regierungskoalition in die andere gesprungen sei.

Eine Erneuerung in der Opposition ist sicher nicht falsch, aber andererseits machen wir uns große Sorgen, dass die SPD mit ihrer Ausrichtung auf die absolute Dominanz des Hafens Zukunftstrends verschläft.

Auf welche Schwerpunkte muss die neue Fraktion setzen?

Wir müssen die Kernbereiche der GAL in der Fraktion stärken. Ich will da vorangehen und zukünftig die Bereiche Umwelt und Energie als Abgeordneter betreuen. Es geht vor allem darum, dass wir die SPD dort stellen, wo negative Kurskorrekturen für Hamburg drohen. Wir müssen verhindern, dass die SPD-Regierung die Ökologie zugunsten der Wirtschaft zurückschneidet, die Umweltbehörde zu einer unbedeutenden Behörde runterschreddert und die Wissenschaft zu einem Steinbruch für Hafeninvestitionen zweckentfremdet.

Drei Ex-SenatorInnen und die beiden Parteivorstände rücken in die Bürgerschaft ein – hat die neue GAL-Fraktion zu viele Häuptlinge?

Ich glaube, dass ich als Fraktionsvorsitzender bestätigt wurde, weil mir zugetraut wird, aus dieser Truppe starker Einzelpersönlichkeiten ein schlagkräftiges Team zu formen.

Ex-Parteichef Kurt Edler kritisiert, die GAL führe keine innerparteiliche Strategiediskussion mehr“ – der Einstieg in und der Ausstieg aus Schwarz-Grün seien den Mitgliedern nur zum Abnicken vorgelegt worden.

Ich teile diese Analyse nicht. Schwarz-Grün nicht auszuschließen haben wir vor der Wahl 2008 auf einem Parteitag lange beraten und dann beschlossen. Und beim Ausstieg konnten wir nicht erst eine Mitgliederversammlung einberufen, die das diskutiert. Dann wäre die Koalition von der CDU beendet worden.INTERVIEW: MARCO CARINI