Wohnungen allein reichen nicht

SOZIALSTAAT Arme, Obdachlose und Kinderreiche haben besonders schlechte Chancen, eine Wohnung zu finden. Das muss sich ändern, fordert die Diakonie

Mit einer Reihe von Instrumenten greift der Staat dämpfend auf dem Wohnungsmarkt ein:

■ Sozialwohnungen: Ihr Bau wird gefördert, dafür müssen sie für eine bestimmte Frist verbilligt an Berechtigte vermietet werden.

■ Wohngeld: Zuschuss zur Miete für Geringverdiener. Variiert nach Höhe des Einkommens, der Miete und Zahl der Familienmitglieder.

■ Hilfen für Wohnungslose: Der Staat übernimmt Mietschulden, hilft eine Wohnung zu finden und stellt Notunterkünfte bereit. 2010 hat der Senat dafür knapp 53 Millionen Euro veranschlagt.

Bei der Debatte über fehlenden Wohnraum wird aus Sicht der Diakonie ein Aspekt vergessen: das Schicksal von Gruppen, die es schon auf einem ausgeglichenen Markt schwer haben, eine Wohnung zu finden – Arme, Obdachlose, Kinderreiche und junge Erwachsene. Der evangelische Sozialverband hat deshalb neben der Neubauförderung ein „zweites Standbein“ der Wohnungspolitik verlangt, das die Chancen dieser Gruppen verbessert.

Gar nicht einig ist die Diakonie mit der neuen Stadtentwicklungssenatorin Jutta Blankau (SPD). Sie hatte gesagt, die extreme Knappheit an Wohnungen beschränke sich auf die Szeneviertel. Für die Stadt insgesamt könne nicht von einer Wohnungsnot gesprochen werden.

Gabi Brasch von der Diakonie hält dagegen: „Es gibt eindeutig eine Wohnungsnot und nicht nur einen Wohnungsmangel.“ Darauf deuteten die Berichte von Wohnungssuchenden hin. Laut Mietenspiegel sind die Preise bei Neuvermietungen zwischen 2007 und 2009 um acht Prozent gestiegen. Verschärft werde die Lage dadurch, dass die Mietnebenkosten seit 1991 noch stärker gestiegen seien als die Mieten.

„Benachteiligte haben kaum Chancen, sich angemessen mit Wohnraum zu versorgen“, urteilt die Diakonie. Nur 46 Prozent der dringend Suchenden hätten 2008 eine Wohnung gefunden. Während die Zahl der Obdach- und Wohnungslosen von 2002 bis 2008 bundesweit um 32 Prozent gesunken sei, stagniere sie in Hamburg bei knapp 4.000.

Um Abhilfe zu schaffen, sei eine „Wohnungsnotfallhilfeplanung aus einem Guss“ nötig. Dazu gehörten Unterkünfte mit Privatsphäre, die von Obdachlosen auch angenommen werden, ebenso wie die Betreuung ehemals Wohnungsloser in ihrer neuen Wohnung.

Weil jeder zweite Haushalt berechtigt sei, eine Sozialwohnung zu beziehen, müssten Benachteiligte besonders unterstützt werden. Außerdem müsse die Wohnungswirtschaft ihre Unterbringungszusagen gegenüber dem Senat erfüllen.

Der Rechnungshof hatte in seinem diesjährigen Bericht die Hilfe für Wohnungslose kritisiert. Die Mitte 2005 eingeführten Fachstellen für Wohnungsnotfälle seien den Nachweis ihrer Wirksamkeit schuldig geblieben. Es hätten nicht mehr Menschen aus Notunterkünften in Wohnungen vermittelt werden können als zuvor. Die Wohnungsunternehmen brachten zwar immer mehr Problemmieter unter – insgesamt aber in fünf Jahren rund 3.400 weniger als in einer Kooperation mit dem Senat vereinbart waren. GERNOT KNÖDLER