Welt aus Wörtern

PERFORMANCE Seit knapp 40 Jahren prägt Laurie Anderson die Performance-Kunst. Morgen präsentiert sie ihr Stück „Delusion“

Eine multimediale Meditation über all die großen Fragen des Lebens

VON ROBERT MATTHIES

Wenn man beschreiben soll, was Laurie Anderson denn nun eigentlich seit knapp vier Jahrzehnten auf ihre unverwechselbare Art macht, beginnt man unweigerlich Geschichten zu erzählen. Zum Beispiel darüber, wie ein Tag im Leben der 63-Jährigen aussieht: morgens ein Musikstück mischen, vormittags an einer Skulptur arbeiten, mittags ein Gedicht schreiben und abends noch schnell eine Zeichnung für eine Ausstellung machen. Und zwischendurch ein wenig auf einer ihrer eigenwilligen Violinen spielen, vielleicht auf jener berühmten, die sie 1977 gebaut hat, indem sie statt Pferdehaaren bespieltes Magnetband auf den Bogen gespannt und einen Tonkopf in den Steg gebaut hat. Oder über ihre Zusammenarbeit mit so vielen bedeutenden Künstlern wie Allen Ginsberg, Philipp Glass, William S. Burroughs, John Zorn oder Lou Reed, mit dem sie nun verheiratet ist. Oder darüber, dass ihre Kunst nicht nur in Museen zu sehen, sondern auch im Radio zu hören ist, wie ihre Single „O Superman“, die sie 1981 auch jenseits der Untergrund-Kunst bekannt gemacht hat. Oder über ihr aktuelles Album „Homeland“, mit dessen Song „Flow“ sie letztes Jahr für den „Best Pop Instrumental Performance“-Grammy nominiert war.

Und wenn man Laurie Anderson fragt, was sie denn nun eigentlich seit knapp vier Jahrzehnten auf ihre unverwechselbare Art macht, antwortet sie: Geschichten erzählen. Nur, dass sie dafür auf viel mehr zurückgreift als Hände, Stimme und Gesichtsausdruck: auf Bilder aller Art, auf Musik, Klänge und Poesie. Wie in ihrem neuen Stück „Delusion“, das sie morgen und am Samstag auf Kampnagel präsentiert. Das besteht aus einer Reihe von unterschiedlichen Dialogen, die Laurie Anderson vor einer riesigen Leinwand mit einem multiplen Alter Ego führt. Eine multimediale Meditation über all die großen Fragen des Lebens, über Sprache und Gedächtnis, Selbst-Täuschungen und Identität, Sehnsucht und Tod, Traum und Realität. Deren Herz die Lust an der Sprache ist – und der Schrecken der Einsicht, dass die Welt aus nichts als Wörtern besteht.

■ Fr, 20. 5. und Sa, 21. 5., 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20