Somalias Krieg weitet sich aus: Abdul und Ali, Krieger wider Willen

Sie wurden von Kenias Armee ausgebildet, um die Grenze zu Somalia zu sichern. Dann sollten sie in Somalia kämpfen. Nun werden sie von Somalias Islamisten umworben.

Regierungstruppen kämpfen in Somalias Hauptstadt Mogadischu. Bild: dpa

GARISSA taz | Das Licht flimmert über dem Sand. Kamele sind das häufigste Tier, Frauen in bunten Tüchern bieten frische Milch an. Die Wüste im Nordosten Kenias sieht genauso aus wie in Somalia. Auf beiden Seiten der Grenze wohnen ethnische Somalis. Nur ihre Pässe sind verschieden.

Die Grenze zwischen Kenia und Somalia ist kein Hindernis für Nomaden, die mit ihrem Vieh herumziehen. Aber auch Flüchtlinge und Milizionäre überqueren ungehindert die Grenze. Und inzwischen werden auch Somalis aus Kenia für den somalischen Krieg geworben.

"Wir wurden unter falschen Vorzeichen für die somalische Regierungsarmee rekrutiert", sagt Abdul, der mit einer Gruppe finster dreinschauender junger Männer im Schatten eines Hauses in der nordostkenianischen Provinzhauptstadt Garissa sitzt. Alle sind arbeitslos. Sie hörten eines Tages, dass Kenias Armee Rekruten sucht, und meldeten sich. Sie wunderten sich nicht, dass die Rekrutierung mitten in der Nacht stattfand. Schließlich ist die Armee ein sicherer Job, da stellt man keine Fragen.

"Man erzählte uns, dass wir eingesetzt würden, um die Grenze zwischen Kenia und Somalia zu beschützen", sagt Abduls Freund Ali. Er trägt ein traditionelles somalisches Wickeltuch und ein Camouflage-T-Shirt. "Sie brachten uns in der Nacht in geschlossenen Lastwagen nach Süden. Bei keiner einzigen Polizeisperre, mehr als dreißig, wurden wir angehalten, wohl weil wir in Lastwagen mit Regierungsnummernschildern fuhren."

Die über 90 Rekruten kamen nach Manyani, einem Trainingslager der kenianischen Naturschutzbehörde, "zusammen mit etwa 200 somalischen Flüchtlingen", erzählt Abdul. "Pensionierte kenianische Offiziere trainierten uns. Sie erzählten, dass die Uniformen und das Essen Geschenke von den Amerikanern waren."

Somalias Übergangsregierung beherrscht nur einen kleinen Teil der Hauptstadt Mogadischu und plant eine Großoffensive gegen die Islamisten. Kenias Regierung behauptet, sie trainiere nur Freiwillige aus Somalia, aber keine Flüchtlinge oder gar kenianische Somalis. Doch die jungen Männer in Garissa sind ein Beweis des Gegenteils.

"Nach monatelangem Training ging das Gerücht um, dass wir für die somalische Armee rekrutiert würden. Als wir unsere Kommandanten danach fragten, wurden wir geschlagen", erzählt Ali. Einige Rekruten flohen durch den Wildpark Tsavo. Als sie zu Hause waren, alarmierten sie die Eltern und die Behörden. Die anderen blieben im Trainingslager, aber, wie Abdul erzählt: "Eines Tages bekamen wir unsere Personalausweise zurück, wurden in Laster geladen und in Voi abgesetzt, hunderte Kilometer von Garissa entfernt. Wir hatten kein Geld und kein Essen." Ein somalischstämmiger Parlamentarier organisierte dann Busse, um die Rekruten nach Hause zu bringen.

Jetzt sind sie alle arbeitslos, militärisch ausgebildet und verärgert. "Die Behörden können kein Spiel mit uns treiben", droht Abdul. "Wir sind gut trainiert und können Chaos verursachen. Und wie gut wir sind, zeigt, dass uns al-Shabaab kurz nach unserer Heimkehr 1.500 Euro bot, damit wir zu ihnen gehen." Al-Shabaab ist die größte der islamistischen Milizen Somalias und soll mit al-Qaida vernetzt sein.

Garissa ist wirtschaftlich eng mit der Hafenstadt Kismayo im Süden Somalias verbunden, wo al-Shabaab die Macht hat. Garissas Bürgermeister Mohamed Gabow fürchtet, dass nicht nur Waren von Kismayo nach Garissa kommen, sondern auch radikale Ideen. Er machte den Skandal um die Rekruten publik. "Wirtschaftlich waren wir schon immer mehr mit Somalia verknüpft", erklärt er. "Die Regierung in Nairobi tut nicht viel für uns. Unsere Straßen, Krankenhäuser und Schulen sind meistens von Saudi-Arabien finanziert."

In der hübschen Jamia-Moschee, im Zentrum von Garissa, warnt Imam Hussein Mahat die jungen Gläubigen, sie sollten sich von Somalias Krieg fernhalten. "Es tut mir weh, zu sehen, wie Somalia leidet. Schließlich sind es unsere Brüder", meint der Geistliche. Die Einmischung des Auslands aufseiten der somalischen Regierung habe die Lage nur weiter radikalisiert. "Beim Konflikt in Somalia geht es nicht um Religion. Es geht ganz ordinär um Macht."

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