Kommentar zur Präimplantationsdiagnostik: Bioethische Zäsur

Sollte es zur Zulassung der PID kommen, wäre dies eine bioethische Zäsur. Bisher unterlagen künstlich gezeugte Embryonen in Deutschland einem besonderen Schutz.

Die Bundestagsdebatten über bioethische Fragestellungen lassen sich zu Recht als Sternstunden des Parlaments bezeichnen. Der Grund ist banal: Wie auch am Donnerstag bei der Debatte über die Präimplantationsdiagnostik (PID) wird dann zumeist der Fraktionszwang vorübergehend aufgehoben. Die gewählten Volksvertreter, die von der Verfassung her ja eigentlich nur ihrem eigenen Gewissen verantwortlich sind, dürfen ohne Druck ihrer Fraktionsführung frei reden und entscheiden.

Sogar Bündnisse in Form von gemeinsamen fraktionsübergreifenden Gesetzentwürfen sind da plötzlich erlaubt. Bei anderen Themen, für die der Fraktionszwang gilt - selbst wenn sie weitaus weniger wichtig sind -, könnte dieses Verhalten ganz schnell das Ende der politischen Karriere eines Abgeordneten bedeuten. Bei der Bundestagsdebatte über die PID drängte sich wieder einmal die Frage auf: Warum nur wird eine Gewissensentscheidung nicht viel öfter erlaubt? Der Gesellschaft würde das jedenfalls guttun.

Nicht banal ist hingegen die Frage, die im Bundestag jetzt zur Entscheidung ansteht: Soll die PID in Zukunft gesetzlich erlaubt sein und, wenn ja, in welcher Form? Soll es eine Einschränkung nur bei lebensbedrohlichen Erbkrankheiten geben, oder soll die Embryonenselektion zum Beispiel wie in Großbritannien auch bei Erbkrankheiten zulässig sein, die erst im fortgeschrittenen Alter und dann auch nur vielleicht auftreten?

Sollte es zu einer gesetzlichen Zulassung der PID kommen, würde dies eine bioethische Zäsur für Deutschland bedeuten. Denn bisher galt im Deutschen Bundestag: Auch künstlich gezeugte Embryonen in der Petrischale unterliegen einem besonderen Schutz, sie dürfen nicht vernichtet werden. Das war der Grundgedanke, auf dem das Embryonenschutzgesetz aus dem Jahr 1991 aufbaute.

Auch das Stammzellengesetz von 2002 sowie dessen Novellierung sechs Jahre später verbot ohne Ausnahme die Vernichtung von Reagenzglasembryonen. Sollte die PID erlaubt werden, dann ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis auch diese Regelungen fallen.

Denn mit welchem Argument soll man einem Wissenschaftler noch verbieten können, aus aussortierten Embryonen Stammzellen für die Forschung zu gewinnen? Die Embryonen landen doch eh im Mülleimer, dann können sie doch wenigstens noch für einen guten Zweck genutzt werden. So oder so ähnlich wird dann die Antwort sein.

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Jahrgang 1955, war von 1993 bis Ende 2022 Wissenschaftsredakteur der taz. Er hat an der FU Berlin Biologie studiert. Vor seinem Studium hatte er eine Facharbeiterausbildung als Elektromechaniker gemacht, später dann über den zweiten Bildungsweg die Mittelere Reife und am Braunschweig-Kolleg die allgemeine Hochschulreife nachgeholt.

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