Blauhelme in Kongo: Da ist was im Busch

Bretter statt Fluggeräte, "Nahkampf ohne Schusswaffe": wie UN-Soldaten aus Indien im Kongo die korrupte und schlecht ausgerüstete Armee ausbilden.

Buschkrieg wörtlich genommen Bild: alex veit

LUBERO taz Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen ist dem Soldaten in acht Metern Höhe ein wenig bange. "Caporal Kalongo bereit zum Abseilen", ruft er und blickt zögernd hinunter. Dann nimmt er sich ein Herz und springt, an einem Seil herabgleitend, in die Tiefe. Unten angekommen, duckt er sich, rennt ein paar Meter, duckt sich wieder und stellt sich zu seinen Kameraden.

"Slithering" nennt sich diese Übung, die Absprung aus einem Hubschrauber probt. Anstelle eines realen Fluggeräts wurde ein Brett in acht Meter Höhe an einen Baum genagelt. So trainieren indische Blauhelmsoldaten im ostkongolesischen Städtchen Lubero das 23. Bataillon der kongolesischen Regierungsarmee. Caporal Kalongo dürfte kaum je in die Verlegenheit kommen, tatsächlich über einem Kampfgebiet abzuspringen. Kongos Soldaten gehen zu Fuß.

Weil Kongos Armee oft sogar kaum Munition hat, erscheint die anschließende Übung realistischer: Nahkampf ohne Schusswaffe. Die Soldaten schleichen sich von hinten an ihre Kameraden an, bringen sie mittels eines Kung-Fu-Griffs zu Fall und hauen sie mit einem Kalaschnikow-Magazin kampfunfähig.

Pranov Joshi ist zufrieden. "Diese Soldaten sind hoch motiviert", versichert der junge Hauptmann aus dem indischen Mumbai, der die Übungen leitet. "Durch unser Training machen wir sie zu einer ordentlichen Truppe." Seit vergangenem Jahr beinhaltet das Mandat der UN-Mission im Kongo (Monuc) auch Training für kongolesische Soldaten. Denn zuvor machte die UN leidvolle Erfahrungen bei gemeinsamen Einsätzen: Nicht nur waren Ausrüstung und Kampfmoral der Kongolesen schlecht, mangelnde Koordination und Meutereien brachten bisweilen auch UN-Soldaten in Gefahr.

Die aus zahlreichen Bürgerkriegsfraktionen zusammengewürfelte Armee leidet an internem Misstrauen, Korruption und Vernachlässigung. Sogar Nahrung ist meist knapp. Nun versuchen die UN-Blauhelme, die Armee auf militärische Aktionen vorzubereiten. Wenige Kilometer vom Trainingsgelände entfernt befinden sich Stellungen der "Demokratischen Kräfte zur Befreiung Ruandas" (FDLR). Die nach dem Völkermord in Ruanda 1994 in den Kongo geflüchtete Hutu-Miliz kontrolliert ganze Landstriche, indem sie die Bevölkerung terrorisiert. Im November 2007 vereinbarten die Regierungen Kongos und Ruandas, dass die Milizen entwaffnet und nach Ruanda repatriiert werden sollen. Weil das nicht geschieht, droht die UN mit Angriffen. Übungen wie in Lubero finden dementsprechend an vielen Stationierungsorten der UN im Ostkongo statt. Dass auch neue Kämpfe mit den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda drohen, erhöht die Dringlichkeit.

Bereits seit 2004 bemüht sich die internationale Gemeinschaft, Kongos Armee zu reformieren. Die ersten "neuen" Einheiten, durch belgische oder angolanische Ausbilder gedrillt, begingen hinterher schwere Menschenrechtsverletzungen. So wurde inzwischen die Ausbildungsarbeit der ohnehin überlasteten UN-Mission überlassen.

Deren Lehrgänge dauern nur einige Wochen. Doch der 27-jährige indische Hauptmann ist optimistisch: "Das sind gute Schüler. Wir nehmen sie ein bisschen an der Hand, bis sie selbst laufen können." Sein Partner, der fast doppelt so alte kongolesische Oberstleutnant Madika Mozala, gibt sich ebenfalls zuversichtlich: "Ich bin mir sicher, dass die Regierung uns alle notwendigen Mittel zur Verfügung stellen wird, bevor sie uns Angriffsbefehle gibt", glaubt er.

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