Menschlich verursachte Lebensmittelkrise: Der Hunger nimmt zu

Schlechte Nachrichten verkündet der Welternährungsbericht: Die Zahl der Hungernden ist weltweit um 40 Millionen gestiegen. Einen traurigen Weltrekord hat der Kongo erzielt.

Eine Handvoll Essen: Kongolesische Kinder erhalten ein paar Kekse. Bild: reuters

BERLIN taz Die Zahl der Hungernden auf der Welt steigt rapide an. 963 Millionen sind es dieses Jahr, gegenüber 923 Millionen im Jahr 2007, verkündete die UN-Agrarorganisation FAO gestern in Rom bei der Veröffentlichung ihres neuen Welternährungsberichts. Nachdem die Zahl 2007, hauptsächlich aufgrund steigender Lebensmittelpreise, um 75 Millionen gegenüber dem Vorjahreswert gestiegen war, ist der erneute Anstieg eine Bilanz des Scheiterns, so FAO-Vizegeneraldirektor Hafez Ghanem: "Die globalen Nahrungsmittelpreise sinken seit Anfang 2008, aber niedrigere Preise haben die Lebensmittelkrise in vielen armen Ländern nicht beendet." Noch Mitte 2008 waren die globalen Lebensmittelpreise durchschnittlich 64 Prozent höher als 2002.

Zwei Drittel der Hungernden konzentrieren sich in sieben Ländern, so die FAO: Indien, China, in der Demokratische Republik Kongo, Bangladesch, Indonesien, Pakistan und Äthiopien. Im Kongo sind 76 Prozent der Bevölkerung unterernährt, ein Weltrekord, gegenüber 29 Prozent Anfang der 90er-Jahre - Ergebnis von Staatszerfall und Krieg. In Indien ist die Zahl der Hungernden nach leichten Rückgängen in den 90er-Jahren wieder im Anstieg begriffen, auf 231 Millionen: in China geht sie kontinuierlich zurück, auf 123 Millionen. Diese Länderangaben beziehen sich auf den Zeitraum 2003 bis 2005.

In den wenigsten Fällen sind Hungerkrisen der Grund, dass es insgesamt in einem Land zu wenig zu essen gibt. Diesen Zustand konstatiert die FAO nur für die Krisenländer Irak, Somalia und Simbabwe sowie die dicht besiedelten Kleinstaaten Swasiland und Lesotho im südlichen Afrika. Viel häufiger sei es so, dass große Bevölkerungsteile sich nichts zu essen kaufen können, beispielsweise in Birma, Nordkorea oder Liberia, oder dass es in einzelnen Regionen wegen Unsicherheit oder schlechter Infrastruktur keine funktionierenden Handelskreisläufe gibt, wie in den meisten zentralafrikanischen Ländern oder auch China und den Philippinen. Die Gründe für Lebensmittelkrisen "werden komplexer", so der FAO-Bericht. "Naturkatastrophen waren bis in die frühen 90er-Jahre der Hauptgrund, doch im vergangenen Jahrzehnt sind menschlich verursachte Krisen an die erste Stelle gerückt."

Zwar haben höhere Lebensmittelpreise dieses Jahr die Agrarproduktion weltweit ansteigen lassen, aber die globale Kreditkrise könnte diesen Aufschwung bei den Produzenten schnell zunichte machen, warnt die FAO. Bauern könnten gezwungen sein, ihre Anbauflächen zu verkleinern, und "nächstes Jahr könnte eine neue Runde dramatischer Preissteigerungen beginnen", so Hafez Ghanem.

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