Umweltzerstörung in Ostafrika: Dürre in Kenias Badezimmer

Unkontrolliertes Siedeln in den Wäldern, aus denen sich die Flüsse speisen, zerstört das ökologische Gleichgewicht. Im Mau-Wald in Ost-Kenia herrscht zum ersten Mal Trockenheit.

Trügerische Idylle: Der Wasserstand des Nakurusees sinkt, weil die Flüsse, die ihn speisen, leer sind. Bild: reuters

MAU-WALD taz | "Selbst während der großen Dürre in 1997 war immer Wasser drin. Aber jetzt sind unsere Flüsse trocken." Wafula Wabulwa macht sich Sorgen. Sein Betrieb liegt in Narok, einem Ort nicht weit von dem weltberühmten kenianischen Tierpark Maasai Mara. Die Hälfte der Bevölkerung versorgt er mit Wasser: "Wir holen Wasser aus dem Narok-Fluss, aber das Pumpen wird immer schwieriger wegen des niedrigen Wasserstandes. Außerdem sinkt die Wasserqualität. Prüfungen zeigen, dass landwirtschaftliche Chemikalien ins Wasser gelangen, und zwar im Mau-Wald, wo der Fluss entspringt."

Der 400.000 Hektar große Mau-Wald ist eines des größten Wasserrückhaltegebiete Kenias. In dem Wald entspringen zwölf wichtige Flüsse, die fünf Seen in Kenia und den Nachbarländern speisen. Mehr als fünf Millionen Menschen sind von diesen Wasserquellen abhängig. Narok liegt im Gebiet des Nomadenvolkes der Maasai. Seit je ziehen sie mit ihrem Vieh über die Savannen. Wenn Dürre herrscht, akzeptieren sie das als Gottes Willen. Aber wenn jetzt auch noch der Fluss austrocknet, zum ersten Mal seit Menschengedenken, machen sie Menschen dafür verantwortlich: Menschen, die illegal Landwirtschaft betreiben im geschützten Mau-Wald.

"Ich habe hier oben ein Haus gemietet, weil die Flüsse unten in der Savanne trocken sind. Aber selbst hier ist nicht mehr genügend Wasser. Es ist ihre Schuld", sagt der alte Maasai Saruni ole Pere, und zeigt mit dem Finger auf die Hügel in der Ferne. "Die Menschen dort fällen Bäume um, von denen jeder weiß, dass sie gut sind für Regen und dafür sorgen, dass die Quellen Wasser liefern. Sie sollen verjagt werden, sodass Schatten wieder in den Mau-Wald zurückkehrt!"

Kelena ole Nchoe, einflussreicher Maasai-Ältester aus Narok, kann sich vorstellen, dass die Maasai die illegalen Siedler aus dem Mau-Wald vertreiben. "Für die Bevölkerung in Narok und Umgebung ist das Maß voll. Die Regierung macht nichts, und darum müssen wir etwas tun", sagt er. Trotzdem sieht er die Siedler nicht als die schlimmsten Verbrecher. "Sie werden von Politikern benutzt, die an nichts denken als an Macht und Einfluss."

Die ökologische Bedeutung des Mau-Waldes hängt mit der warmen Luft zusammen, die von dem rund 200 Kilometer westlich gelegenen Viktoriasee aufsteigt. Der Wind treibt die Luft auf die kühlen, bewaldeten Mau-Hügel. Wenn warme und kalte Luftmassen zusammenstoßen, lassen die Wolken ihre Regenlast fallen. Aber weniger Bäume bedeuten weniger Kühle, weniger Regen und weniger Wasser für die Quellen. Luftaufnahmen zeigen, dass bereits ein Drittel der Bäume im Mau-Wald verschwunden ist.

30 Kilometer nördlich von Narok beginnt das Wasserschutzgebiet. Hier steht ein Polizeiposten. Die bewaffneten Polizisten meinen, dass es besser sei, wenn sie die Besucher auf ihrem Ausflug zu einer Siedlung im Mau-Wald begleiten. Früher lag "Sierra Leone", so der Name der Siedlung, mitten im Wald. Jetzt ist es ein offenes Gelände mit Äckern und vielen Baumstümpfen. Die Bewohner sind sehr misstrauisch und nehmen gegenüber jedem Außenstehenden eine drohende Haltung ein. Selbst die Polizisten fühlen sich hier nicht sicher. Vor vier Jahren wurden die Siedler vertrieben. Doch von den damals 100.000 Illegalen ist inzwischen ungefähr die Hälfte zurückgekehrt.

"Ich habe Eigentumspapiere für mein Stück Land", sagt Joseph Posek und zeigt seine Besitzurkunde mit einem Stempel aus dem Jahr 2000. Die Mehrheit der Siedler gehört zum Volk der Kalenjin, dem Volk des ehemaligen Präsident Daniel arap Moi, der Ende 2002 nach Jahrzehnten autokratischer Herrschaft abgewählt wurde. Moi verschenkte häufig Land an seine Volksgenossen und Freunde, außerdem geschützte Wälder, Friedhöfe und öffentliche Toiletten. Sie konnten darauf bauen und damit viel Geld verdienen.

Zakayo Cheruiyot, ein mächtiger und gefürchteter Politiker aus der Zeit des Moi-Regimes, besitzt wie viele andere Kalenjin-Politiker ein großes Stück Land im Mau-Wald - "einen wahren Palast" habe er darauf gebaut, stellte ein Untersuchungsbericht fest. Cheruiyot selbst streitet das ab. Heute ist er einfaches Parlamentsmitglied, und ein Teil des Mau-Waldes liegt in seinem Wahlkreis. Er gibt zu, dass sich viele Kalenjin im Wald angesiedelt haben. Aber er macht dafür historische Ungerechtigkeiten verantwortlich. "Die weißen Kolonialherren vertrieben die Kalenjin von ihrem fruchtbaren Land. Danach sorgte Kenias erster Präsident Jomo Kenyatta dafür, dass seine Volksgenossen, die Kikuyu, sich im Kalenjin-Gebiet Land kaufen konnten. Unsere Landlosen müssen doch irgendwohin", sagt er.

Aber das ist nur die halbe Wahrheit. Die illegalen Siedler im Mau-Wald kauften ihr Land oft zum Spottpreis. Die Gegenleistung war ihre Stimme bei den nächsten Wahlen. Die Siedlung Sierra Leone war ein Geschenk von Moi an den Kalenjin-Kommandanten des kenianischen Blauhelmkontingents in der UN-Friedenstruppe im westafrikanischen Sierra Leone. Die Kommandanten behielten einen Teil des Landes für sich selbst und verkauften den Rest an Volksgenossen. Nun weigern sie sich, es zurückzugeben. Die katastrophalen Folgen für die Umwelt interessieren sie nicht.

Am Westrand des Mau-Waldes liegt Kericho, das Kenianer gerne als Badezimmer ihres Landes bezeichnen, weil es dort beinahe täglich regnete. Aber auch dort hat die Dürre zugeschlagen. Die einst sanftgrünen Teesträucher auf den Hügeln zeigen braune Flecken. Auf der Teeplantage, geführt vom dem britischen Betrieb James Finley, arbeiten nur wenige Pflücker. "Wir hatten jetzt schon zwei Monate keinen Regen", sagt Finley-Manager Nelson Orgut. "Voriges Jahr, als die Dürre anfing, sank unsere Produktion um 15 Prozent. Wir befürchten dasselbe für dieses Jahr."

Schon seit Jahrhunderten wird bei Kericho Tee angepflanzt. Die Tonerde, das kühle Klima in 2.000 Meter Höhe, die vielen Sonnenstunden und der regelmäßige Regenfall machen das Gebiet perfekt. Hunderttausende Menschen arbeiten in den Plantagen, die Kenia mehr als 600 Millionen Euro jährlich einbringen. Das alles ist in Gefahr.

Beim Rundgang über die riesige Plantage hält Nelson Orgut an einem trockenen Flussbett. "Soweit wir uns erinnern können, stand hier immer Wasser. Deshalb haben wir hier ein kleines Wasserkraftwerk gebaut. Jetzt liegt es still. Das große Problem ist die Politik", meint Nelson Orgut. "Dürren gibt es regelmäßig, aber noch nie waren die Flussbetten trocken. Das ist die Folge der illegalen Siedlungen im Mau-Wald. Die Regierung macht nichts, und wir sehen, wie unsere Produktion zurückgeht. Unsere Fabriken verarbeiten weniger. Wir zahlen also weniger Steuern an die Regierung." Bei Finley wurde noch keiner entlassen. Aber pensionierte Arbeiter werden nicht ersetzt. Die 14.000 Arbeiter, von denen sicher 70.000 weitere Menschen abhängig sind, machen sich große Sorgen.

Kerichos Bürgermeister Moses Limo besitzt ein paar Hektar Teeplantagen. Er ist wütend über die Zerstörungen im Mau-Wald. "Ich musste eine Wasserrationierung ankündigen. Das hat es in Kericho noch nie gegeben. Das bedeutet auch ein Verbot von Bewässerung. Deshalb gibt es weniger Gemüse, es wird teurer, und das bereitet der Bevölkerung große Schwierigkeiten."

Die illegalen Siedler im Mau-Wald kommen meistens aus der Umgebung von Kericho. Limo will, dass sie alle zurückkehren und dass die Politiker, die ihnen das Land gaben, zur Rechenschaft gezogen werden. "Selbst diejenigen, die nichts haben, wohin sie zurückkehren können, nehmen wir auf. Ich werde ihnen weiterhelfen", sagt der Bürgermeister. "Das ist ein kurzfristiges Problem, viel einfacher zu lösen als die Zerstörung des Mau-Waldes, die unserer Wirtschaft hier das Genick bricht."

Auch in Nakuru, der berühmten Touristenregion weiter nördlich, sind die Zerstörungen im Mau-Wald spürbar. Der Wasserstand des Nakuru-Sees sinkt, weil die Flüsse, die ihn speisen, fast leer sind. Der Nakuru-See ist weltberühmt: Beinahe das ganze Jahr liegt ein rosa Band um den See herum: Tausende Flamingos leben hier. Mit ihren langen Beinen laufen sie im seichten Wasser herum auf der Suche nach Nahrung, den speziellen Algen, die ihre rosa Farbe verursachen.

"Wenn der Wasserstand sinkt oder die Algen verschwinden, fliegen die Flamingos weg. Dann bleiben die Touristen aus", warnt Joseph Edebe, der Wasserexperte der kenianischen Wildparkbehörde KWS, während er das Autofenster hochdreht, weil die Wagenräder eine riesige Staubwolke verursachen. Er fährt zu den Makalia-Wasserfällen. Kein einziger Tropfen fällt herunter. Auch in dieser Region herrscht Wasserrationierung, und die wilden Tiere im Nakuru-Park haben zu leiden. Das Gras ist kurz gefressen und von der Sonne verschrumpelt. "Unsere Grasesser wie Nashörner, Gazellen und Büffeln sind schwach geworden", sagt Edebe.

KWS und Umweltschutzorganisationen setzen ihre Hoffnung auf eine Kommission für den Mau-Wald. Die hat der Regierung geraten, die Siedler rauszuschmeißen. Aber die Regierung bleibt untätig, schließlich sind die illegalen Landbesetzer potenzielle Wähler. Francis ole Nkako, Mitglied der Arbeitsgruppe, schätzt die Zukunft düster ein. "Der Wassermangel schwächt Menschen und Tiere. Die Lebensmittelpreise steigen. Die Gefahr tribaler Konflikte wächst. Der Mau-Wald sorgt für eine äußerst explosive Situation."

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