Radikale islamische Sekte randaliert: Dutzende Tote bei Unruhen in Nigeria

Mindestens 38 Menschen kommen bei religiös motivierten Unruhen in der Stadt Bauchi im Norden Nigerias ums Leben. Auslöser war die Predigt eines Führers einer islamistischen Sekte.

Das Gefängnis in Maiduguri steht in Flammen: Über 1.000 Menschen wurden bei den Unruhen Ende Juli 2009 getötet. Bild: reuters

BERLIN taz | Wenige Tage, nachdem ein Nigerianer im angeblichen Auftrag al-Qaidas ein Flugzeug in den USA in die Luft sprengen wollte, hat es in Nigeria selbst massive religiöse Gewalt gegeben. Wie nigerianische Medien berichten, wurden am Montag mindestens 38 Menschen in der nordöstlichen Provinzhauptstadt Bauchi getötet, als eine radikale islamistische Sekte gegen die Festnahme eines ihrer Anführer durch die Polizei protestierte. Der Protestmarsch folgte auf eine Predigt, in der ein Sektenführer alle anderen Muslime als Ungläubige beschimpfte. Die Polizei habe daraufhin versucht, die Predigt unter freiem Himmel abzubrechen. Die Zuhörer zogen danach durch die Straßen und zündeten wahllos Häuser an, so die Berichte weiter. Die Polizei erklärte gestern, ein interner Streit habe die Gewalt ausgelöst. Ein Führer der Sekte sei bei den Kämpfen getötet worden.

Die Gruppierung namens Yan Kala-Kato (Er hat gesagt) trat erst vor wenigen Monaten in Erscheinung. Sie sieht sich in der Nachfolge der Maitatsine, Nigerias erste große islamistische Bewegung aus den 1980er-Jahren. Sie könnte auch zumindest zum Teil identisch sein mit der verbotenen militanten Gruppe Boko Haram (Bücher sind schlecht), die im vergangenen Juli einen bewaffneten Aufstand in mehreren Großstädten Nordostnigerias startete; bei den Kämpfen mit der Armee und der Erstürmung der Boko-Haram-Zentrale in Maiduguri am 30. Juli waren insgesamt über 1.000 Menschen getötet worden, viele davon durch Sicherheitskräfte. Dies war in Nigeria weithin kritisiert worden, weil dadurch radikale Islamisten erst recht Auftrieb erhalten würden. Boko Haram hat seither verkündet, sich al-Qaida angeschlossen zu haben und ganz Nigeria mit Krieg überziehen zu wollen. Ähnlich wie Boko Haram scheint sich die verbale und physische Gewalt Kala-Katos vorrangig gegen andere Muslime zu richten, nicht wie bei früheren religiösen Gewaltausbrüchen in Nordnigeria gegen Christen.

Die Gefahr einer neuen Gewaltwelle mit islamistischer Beteiligung in Nordnigeria verstärkt die Sorge vieler nigerianischer Beobachter, ihr Staatswesen sei zu schwach, um Radikale zu stoppen. Staatschef Umaru Musa YarAdua, selbst ein Muslim aus Nordnigeria, liegt seit nunmehr fünf Wochen in Saudi-Arabien schwerkrank in einer Klinik und weigert sich, die Macht an den aus dem christlichen Süden stammenden Vizepräsident Goodluck Jonathan zu übertragen. Stattdessen reisen Emissäre nach Saudi-Arabien, um beispielsweise den Nachtragshaushalt 2009 vom Präsidenten unterzeichnen zu lassen. Als nächstes steht die Einschwörung eines neuen Obersten Richters an, wenn die Amtszeit des bisherigen Vorsitzenden des Obersten Gerichts zum Jahresende ausläuft.

Diese Situation wird von immer mehr nigerianischen Politikern als untragbar empfunden. Vizepräsident Jonathan leitet Kabinettsitzungen, aber strenggenommen darf er keine Entscheidungen treffen. Er hat nun eine Untersuchung der Umstände angeordnet, unter denen der 23-jährige Flugzeugattentäter Umar Faruk Abdulmutallab am 25. Dezember in Lagos, als er seinen Flug Richtung USA über Amsterdam begann, Sprengstoff mitnehmen konnte. Ob er auch befugt ist, Konsequenzen aus dieser Untersuchung zu ziehen, weiß wohl nicht einmal Jonathan selbst.

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