Milizenterror im Kongo: Hunderttausende auf der Flucht

Ruandische Hutu-Milizen im Ostkongo verstärken ihre Angriffen auf die Zivilbevölkerung. Die Flüchtlingszahlen steigen auf Rekordniveau.

Über ein Viertel der Provinzbevölkerung ist auf der Flucht und hat Angst. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Hoffnungen auf Frieden im Osten der Demokratischen Republik Kongo haben sich zerschlagen. Ruandische Hutu-Milizen der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die von Tätern des ruandischen Völkermordes von 1994 geführt wird, haben in den letzten Tagen ihre Angriffe in der Provinz Nord-Kivu massiv verstärkt. Jüngste Greueltat: ein Überfall auf das Dorf Luofu in der Nacht zum Samstag, bei dem nach Berichten des Hilfswerks Caritas die Milizionäre 255 Häuser anzündeten und sechs Menschen, darunter fünf Kinder, verbrannten.

Es war der Höhepunkt einer "Serie konzertierter Angriffe" auf die dichtbesiedelte Region um die Städte Kanyabayonga und Kirumba 150 Kilometer nördlich der Provinzhauptstadt Goma, analysiert das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR. Luofus Einwohner seien nun in das von der FDLR belagerte Kirumba geflohen. "Diesen Morgen hat es neue Angriffe auf Dörfer gegeben", berichtete am gestrigen Mittwoch ein Mitarbeiter des kongolesischen Think-Tanks "Pole Institute" in Goma.

Spatenstich: Im ostkongolesischen Goma hat am Mittwoch die Instandsetzung der Start- und Landebahn des internationalen Flughafens begonnen. Die damit beauftragte Deutsche Welthungerhilfe (DWHH) eröffnete mit einem "symbolischen Spatenstich" die Arbeiten. "Wir leisten einen wichtigen Beitrag zur Friedenssicherung in dieser Region und schaffen gleichzeitig hunderte von Arbeitsplätzen", sagte DWHH-Generalsekretär Hans-Joachim Preuß in Goma. Die 3.000 Meter lange Piste war 2002 beim Ausbruch des Vulkans Nyiragongo zu einem Drittel verschüttet worden, was ihre Nutzung erschwert. Lediglich die UN-Mission im Kongo (Monuc) hatte danach ein Stück für sich selbst freigeräumt. Der dreijährige Wiederaufbau kostet 15 Millionen Euro, die Deutschland bezahlt. D.J.

100.000 Menschen sind laut UNHCR in der Region auf der Flucht. Insgesamt liegt die Zahl der Kriegsvertriebenen in Nord-Kivu jetzt laut UNHCR bei 1,4 Millionen Menschen - über ein Viertel der Bevölkerung der Provinz und mehr als im Januar, bevor die Armeen Kongos und Ruandas gemeinsam in Nord-Kivu eine Militäroperation zur Zerschlagung der FDLR starteten.

Diese Operation war nach ihrem Ende im Februar von den Regierungen beider Länder zum Erfolg erklärt worden, und tatsächlich konnten mehrere tausend ruandische Hutu-Kämpfer und ihre Angehörigen nach Ruanda repatriiert werden. Zugleich beendete die kongolesische Tutsi-Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes), die 2008 unter General Laurent Nkunda weite Teile Nord-Kivus unter ihre Kontrolle gebracht hatte, ihren Kampf und gliederte die meisten ihrer Soldaten in Kongos Regierungsarmee ein. Der Rest der CNDP unterschrieb am 23. März ein Friedensabkommen, und am 18. April gelobten alle bewaffneten Gruppen Nord-Kivus in Goma feierlich ihre Selbstauflösung.

Aber nach wie vor verwalten CNDP und FDLR diverse Regionen Ostkongos, und Kongos Regierungsarmee schafft es nicht, ihre Soldaten zu bezahlen und damit vom Plündern abzuhalten. Die neu integrierten CNDP-Truppen, die als diszipliniert gelten, stehen zum Kampf gegen die FDLR nicht zur Verfügung: Sie sind von der Armeeführung in die Nachbarprovinz Süd-Kivu beordert worden.

Den FDLR-Angriffen auf die Region um Kanyabayonga gingen nach UN-Angaben tägliche Plünderungsfeldzüge hungriger Regierungssoldaten voraus. Die Bevölkerung sieht sich zwischen den Fronten. "Wir wissen nicht, was wir machen sollen", zitiert das UNHCR einen Händler. "Jeden Tag laufen wir weg, wir schlafen im Wald und haben Angst, überfallen zu werden."

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