Mehr als 100 Tote in Kenia: Immer mehr Chaos und Gewalt

Die Gewalt zwischen Anhängern von Regierung und Opposition lässt nicht nach. Die Kontrahenten schweigen zum Vermittlungsvorschlag von Kofi Annan.

Kikuyus mit Macheten vor dem Country Club der Stadt Naivasha, nördlich von Nairobi. Bild: reuters

NAIROBI taz Einen Monat nach den umstrittenen Präsidentenwahlen in Kenia ist die Gewalt im Rift Valley und im Westen Kenias am Montag weiter eskaliert. Von Naivasha, gut 100 Kilometer von der Hauptstadt Nairobi entfernt, bis zum Viktoriasee an der Grenze zu Uganda war die Lage am Montag weitgehend außer Kontrolle.

Im südlichen Rift Valley, wo es zunächst ruhig geblieben war, veranstalteten Milizen Hetzjagden auf Angehörige jeweils anderer Volksgruppen. In Naivasha starben am Sonntag mindestens zehn Frauen und Kinder, die sich aus Angst vor den Unruhen in einem Haus eingeschlossen hatten. Eine aufgebrachte Menschenmenge steckte das Gebäude in Brand, niemand überlebte.

Ähnliche Gewaltszenen wurden aus Nakuru, Kenias viertgrößter Stadt, gemeldet. Tausende flohen. Die einzige Hauptstraße, die den Hafen von Mombasa mit Uganda, Ruanda und Burundi im Westen verbindet, war am Montag nicht mehr befahrbar. Mehr als zehn Trucks lagen ausgebrannt auf dem Highway. Augenzeugen berichteten von Leichen am Straßenrand.

Mehr als 100 Opfer haben die neuesten Unruhen, die in der Nacht zum Freitag begonnen hatten, gefordert. Am Montagabend gab es kein Anzeichen, dass sie bald zu Ende sind.

Diesmal waren es vor allem Milizen der Kikuyu-Ethnie, zu der auch der umstrittene Präsident Mwai Kibaki zählt, die ihre Nachbarn aus anderen Volksgruppen angriffen. Mit Macheten, Knüppeln und Fackeln zogen sie durch die Armenviertel und Innenstädte der Siedlungen, in denen sie die Mehrheit stellen. "Diese Luos sollen verschwinden, wir zahlen ihnen jetzt heim, was sie unseren Leuten angetan haben", schrien Demonstranten in Naivasha. Aber auch in und um Eldoret im nördlichen Rift Valley gingen die Angriffe auf Kikuyu weiter. Dort sind die Kikuyu in der Minderheit und waren seit Wochen von Angehörigen vor allem der Kalenjin-Volksgruppe verfolgt worden. Tausende Kikuyu mussten fliehen, so wie jetzt im südlichen Rift Valley die Kalenjin und Luo.

Die Kikuyu gelten mehrheitlich als Unterstützer Kibakis, während die anderen Ethnien als Unterstützer der Opposition um ihren Kandidaten Raila Odinga wahrgenommen werden. In Odingas Heimatstadt Kisumu wie auch in anderen Städten im Westen lieferten sich seine Anhänger Gefechte mit der Polizei. "Über ganz Kisumu liegt Rauch", berichtete ein Augenzeuge. Mehrere Demonstranten seien von der Polizei erschossen worden.

Die internationale Verhandlung unter dem früheren UN- Generalsekretär Kofi Annan ging am Montag nicht voran. Annan hatte Regierung und Opposition am Sonntag ein Papier vorgelegt, das den Rahmen für weitere Gespräche vorgeben soll. "Regierung und Opposition müssen harte Entscheidungen treffen, um die politische Krise schnell zu beenden", forderte er. Doch beide Seiten schwiegen am Montag zu seinem Vorschlag. Annan warnte, die Ausschreitungen im Land hätten sich verselbstständigt. "Es geht längst nicht mehr nur um das umstrittene Wahlergebnis." Die Gewalt habe katastrophale Ausmaße angenommen.

An der Küste wurden unterdessen zwei Deutsche vermutlich bei einem Raubüberfall ermordet. Der Deutsche Bernd S., seine Frau und ein Besucher der beiden aus Deutschland hatten die Strandhotels von Diani Beach schon weit hinter sich gelassen, als sie am späten Sonntagabend zu Hause ankamen: Die "Palm Villas" liegen gut 50 Kilometer südlich von Mombasa Richtung tansanische Grenze.

Als S. auf seinen Hof einbiegen wollte, schlug eine Bande von mehr als einem halben Dutzend Männern, die offenbar auf den Wagen gewartet hatte, zu. Sie folgte den dreien - in einem Kampf im Haus wurden die beiden Deutschen von den Angreifern mit Macheten erschlagen. S. Frau wurde leicht verletzt ins Krankenhaus eingeliefert.

Bernd S., Anfang 40, lebte seit fast zehn Jahren hier und war im Immobiliengeschäft tätig. Der genaue Hintergrund des Überfalls war zunächst unklar. Ein Zusammenhang mit den politischen Unruhen galt als unwahrscheinlich. Die Polizei nahm am Montag zwei Verdächtige fest, doch ob es sich wirklich um die Täter handelt, ist unklar. In der gegenwärtigen Krise bemängeln viele, dass die Polizei kaum in der Lage ist, auch noch der steigenden Alltagskriminalität Herr zu werden.

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