Einfluss auf Kongos Widersacher : Ruanda sei dank

Auch ohne Rebellen wären Kongo und Ruanda untrennbar verflochten. Aber die Bindungen gehen weiter: Nicht nur Nkunda, auch Kabila verdankt Ruanda seine Karriere.

Profitierte vom zweifachen Einmarsch Ruandas im Kongo: Kabila. Bild: dpa

Als im Herbst 1996 Ruanda zum ersten Mal im Kongo einmarschierte, befand sich im Gefolge des ruandischen Armeechefs James Kabarebe der 25-jährige Kongolese Joseph Kabila. Sein Vater, Laurent-Désiré Kabila, war der Anführer der Rebellen, die in einem weltweit bejubelten Blitzkrieg unter Obhut Ruandas und Ugandas die Mobutu-Diktatur im Kongo stürzten. Sohn Joseph war Kabarebes Fahrer bei der Einnahme der Millionenstadt Kisangani im März 1997, die den Rebellen den Weg in die Hauptstadt Kinshasa öffnete. "Das Soldatenleben fiel ihm fürchterlich schwer", erinnerte sich der ruandische General später in einem Interview an Joseph Kabila. "Bei Schusswechseln war er ratlos. Ich musste ihm alles beibringen."

Heute ist Joseph Kabila Präsident der Demokratischen Republik Kongo; er beerbte 2001 seinen durch ein Attentat umgekommen Vater. James Kabarebe wiederum ist Ruandas Generalstabschef. Kongo wirft Ruanda vor, maßgeblich hinter der jüngsten Rebellion des Tutsi-Generals Laurent Nkunda zu stecken. Dieses Dreieck ist zugleich der wichtigste Schlüssel und das größte Hindernis zur Lösung des neuen Krieges im Kongo.

Weder Nkunda noch Kabila wären heute da, wo sie sind, wenn Ruanda nicht 1996 und 1998 zweimal im Kongo einmarschiert wäre - erst zum Sturz Mobutus und zur Einsetzung Laurent-Désiré Kabilas als Präsident, dann zur Unterstützung neuer Rebellen gegen Kabila, nachdem dieser im Juli 1998 mit Ruanda brach und Kabarebe nach Hause schickte. Aktiv bei diesen Rebellen, die 1998 bis 2003 als Kongolesische Sammlung für Demokratie (RCD) im Ostkongo regierten, war ein junger Tutsi aus Jomba im ostkongolesischen Distrikt Rutshuru: Laurent Nkunda. Nkunda war Mitte der Neunzigerjahre wie fast alle Tutsi Ostkongos nach Ruanda vertrieben worden und marschierte dann 1996 als Soldat unter den Fittichen Kabarebes wieder in seine Heimat ein. In der RCD stieg er zum Militärkommandanten von Kisangani auf. Als Kongos Kriegsparteien im Jahr 2003 Frieden schlossen und die RCD in die Kabila-Regierung eintrat, beschloss Nkunda, im Ostkongo zu bleiben. Er gründete 2006 seine eigene Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des Volkes).

Nkunda agiert seitdem keineswegs, wie viele Kommentatoren hartnäckig behaupten, als verlängerter Arm Ruandas. Er ist keine Neuauflage des jungen Kabila. Seine Basis sind jene ostkongolesischen RCD-Kämpfer, die 2002/03 mit Ruanda brachen und blieben, als Ruandas Armee aus dem Kongo abzog. Ruanda braucht keinen Nkunda, um im Ostkongo Interessen wahrzunehmen. Dafür sorgt die Geografie. Die beiden Provinzhauptstädte Goma und Bukavu liegen direkt an der Grenze zu Ruanda. Die beiden Provinzen Nord- und Südkivu zählen einflussreiche ruandischstämmige Minderheiten, immer wieder als "Fremde" diskriminiert. Nicht nur sie haben aus Sicherheitsgründen Bankkonten und Postfächer in Ruanda und nutzen Kigali als Einkaufszentrum. Alle Export- und Importwaren Ostkongos fließen durch die östlichen Nachbarländer Ruanda, Uganda und Burundi, meist im Transit von und nach Asien. Mineralienschmuggel wird dadurch am Leben erhalten, dass Kongos Behörden, anders als die Ruandas, Exportzölle und unzählige illegale Steuern erheben. Die größten Schmuggler sind überdies nicht Nkundas Rebellen, sondern Armeeoffiziere und etablierte Geschäftsleute aller Ethnien. Kein Friedensprozess kann diese gewachsenen Verbindungen kappen.

Was die Nkunda-Rebellion aus ruandischer Sicht strategisch interessant macht, ist ihre Rolle als Stabilisator. Joseph Kabila hat es in fast acht Jahren als Präsident des Kongo nicht geschafft, eine ordentliche Armee aufzubauen - kein Wunder, würde sein früherer ruandischer Mentor sagen. Weite Gebiete Kivus stehen unter Kontrolle informeller Milizen. Die einzige funktionierende Armee dort ist Nkundas CNDP. Das liegt daran, dass Kabila sich als Präsident ein neues Profil zulegen musste: nicht mehr der unbeholfene "kleine Joseph", sondern ein mutiger Führer, der dem bösen Ruanda die Stirn bietet. Er verließ sich zunehmend auf Generäle aus Kongos reicher Bergbauprovinz Katanga, die eng mit Angola verflochten sind, aber von den Kivu-Provinzen im Osten keine Ahnung haben. Erst kürzlich hat der prominenteste Ostler in Kongos Regierung, Außenminister Mbusa Nyamwisi, seinen Posten verloren. Die anderen beiden wichtigen Ostkongolesen, Parlamentspräsident Vital Kamerhe und Wahlkommissionschef Apollinaire Malu-Malu, verlieren zunehmend an Einfluss, seit der von ihnen geleitete "Amani-Friedensprozess" mit den Nkunda-Rebellen durch die neuen Kämpfe hinfällig geworden ist.

Im Ostkongo verlässt sich Kabila militärisch heute vor allem auf Ruandas Erzfeinde: die einst für Ruandas Völkermord mitverantwortlichen Hutu-Milizen. Nkunda rechtfertigt seinen Kampf unter anderem mit dem Verweis auf die Koalition zwischen Kongos Armee und diesen Milizen, die weite Landstriche terrorisieren. Und für Ruanda ist Nkundas Gebiet ein Puffer zwischen seinem Staatsgebiet und den Zonen der Milizen.

All dies macht eine Verständigung zwischen Kongo und Ruanda ziemlich schwierig. Vermutlich braucht der Kongo erst einen Präsidenten, der kein ruandisches Trauma mit sich herumträgt, bevor die beiden Regierungen so normale Beziehungen miteinander pflegen können, wie es die Menschen im Grenzgebiet längst tun. DOMINIC JOHNSON

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