Dubiose Kampagne gegen Ruanda: Tutsi-Militärs droht Prozess in Spanien

Untersuchungsrichter stellt Haftbefehle gegen 40 hochrangige Offiziere und Militärführer aus Ruandas Regierung aus. Die Klage stützt sich auf Argumente von Hutu-Extremisten.

BRÜSSEL taz Vierzig hochrangigen Militärs aus Ruanda droht ab 16. Februar die Verhaftung, wenn sie ihr Land verlassen. Das ist die Folge eines am 6. Februar ausgestellten Haftbefehls eines spanischen Untersuchungsrichters, der damit einem Antrag des Barceloner Anwalts Jordi Palou nachkommt.

Palou ist im Auftrag von neun spanischen Familien tätig geworden, die Klage wegen der Ermordung von Spaniern zu unterschiedlichen Zeitpunkten in Ruanda und Kongo eingereicht haben. In Ruanda waren 1994 bei einem staatlich organisierten Völkermord, der sich vor allem gegen die Tutsi-Minderheit des Landes richtete, über 800.000 Menschen umgebracht worden. Das dafür verantwortliche Hutu-Regime wurde im Juli 1994 von der damaligen Tutsi-Guerilla RPF (Ruandische Patriotische Front) gestürzt; die RPF regiert Ruanda bis heute und hat mehrmals im Kongo militärisch gegen geflohene Reste ihres Vorgängerregimes interveniert.

Die Klagen richten sich nun aber allesamt gegen Angehörige der RPF-Sicherheitskräfte. Im April 1994 starb während des Völkermordes in Ruanda der spanische Priester Joaquim Vallmajo im Norden des Landes; im Oktober 1996, zu Beginn der Kongokriege, wurden vier spanische Mönche im ostkongolesischen Bukavu ermordet; im Nordwesten Ruandas wurden im Januar 1997 drei spanische Angehörige der Hilfsorganisation Médecins du Monde (MDM) getötet, und im Juni 2000 der spanische Priester Isidro Uzcudun in der ruandischen Provinz Gitarama. Palou macht für diese Morde vier hochrangige RPF-Militärs verantwortlich. In den Fällen Vallmajo und MDM geht es um den früheren Militärgeheimdienstchef Kayumba Nyamwasa, heute Ruandas Botschafter in Indien, im Falle MDM außerdem um Brigadegeneral Karenzi Karake, heute stellvertretender Oberkommandierender der AU-Truppe im sudanesischen Darfur. Für den Mord an Pater Uzcudun wird Generalmajor Fred Ibingira, ein Divisionskommandant in Ruandas Armee, verantwortlich gemacht sowie der Militärattaché Ruandas in Washington, Rugumya Gacinya.

Die Liste der 40 enthält sogar Ruandas Präsident Paul Kagame, der aber als Staatschef Immunität genießt, sowie Generalstabschef James Kaberebe, Brigadegeneral Jack Nziza und Armeechef Charles Kayonga. Ihnen allen wird Beteiligung an Massakern in Ruanda und Kongo vorgeworfen sowie die Plünderung natürlicher Ressourcen im Kongo.

Die Haftbefehle werfen viele Fragen auf. Der spanische Untersuchungsrichter Fernando Andreu hat keinen einzigen der Beschuldigten befragt und keine Ermittlungen vor Ort durchgeführt. Es werden den Haftbefehlen keine Beweismittel angefügt, aus denen die Anwesenheit der Beschuldigten an den Tatorten der ihnen zu Last gelegten Verbrechen hervorgehen könnte. Stattdessen reproduziert die Anklageschrift Thesen der Apologeten des Völkermords in Ruanda, wonach es neben dem Genozid an Ruandas Tutsi auch einen "zweiten Genozid" durch die Tutsi der RPF an Hutu in Ruanda und später im Kongo gegeben habe. Die 40 werden nicht nur für Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich gemacht, sondern auch für Völkermord.

Damit setzen sich die Kläger dem Vorwurf aus, sich von Hutu-Extremisten instrumentalisieren zu lassen. Auf einer Pressekonferenz der Kläger in Brüssel, wo jetzt Einzelheiten vorgestellt wurden, tauchten bekannte Gegner von Ruandas Regierung auf: der französische Autor Pierre Péan, der in einem Buch die Tutsi Ruandas selbst für den an ihnen verübten Genozid verantwortlich macht und derzeit in Paris wegen Aufstachelung zum Rassenhass unter Anklage steht, sowie Alain de Brouwer, einstiger Berater der Christdemokratischen Internationale, die während des Völkermordes für eine internationale Anerkennung des dafür verantwortlichen Regimes plädierte.

Auf die Frage, warum die damaligen Massaker nicht Teil der Anklage sind, antwortet Anwalt Palou, die würden ja bereits vom UN-Völkermordtribunal für Ruanda untersucht und der Richter "hat dazu keine Beweise erhalten". Ist es nicht parteiisch, lediglich gegen eine Seite vorzugehen? "Das kann man sich fragen", antwortet Palou, "und man kann sich das auch beim UN-Ruanda-Tribunal oder beim Internationalen Strafgerichtshof fragen. Das ist immer so, wenn es um politisch Verantwortliche geht."

Ruandas Justizminister Tharcisse Karugarama hat gesagt, reagieren könne seine Regierung erst, wenn sie offiziell informiert worden sei. Erst mal muss Interpol die Haftbefehle annehmen. Aber Karugarama fügt hinzu: "Wir sind sicher, dass dies eine orchestrierte Kampagne ist."

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