Sozialdemokratische Partei gegründet: Auf Oppositionskurs in Kuba

In Havanna eine sozialdemokratische Partei gegründet worden. Viel Einfluss wird sie nicht haben. Jüngere Akteure bestimmen das Bild von Kubas Opposition.

Cubaencuentro.com berichtet, dass die Polizei mehrere Dissidenten des Landes daran hinderte, an der Gründungsversammlung teilzunehmen. Bild: screenshot cubaencuentro.com

BERLIN taz Be-, aber nicht verhindert von den kubanischen Sicherheitsbehörden hat sich am Wochenende in Havanna eine neue sozialdemokratische Partei Kubas gegründet. Die Partei, an deren Gründungstreffen rund zwei Dutzend Dissidenten teilnahmen, geht aus dem Zusammenschluss dreier oppositioneller Gruppen als "Arco Progresista" hervor. Nach eigenen Angaben stehen rund 400 Mitglieder und einige tausend Anhänger hinter der Gruppe. Nachprüfbar sind diese Angaben nicht.

Nach Angaben aus oppositionellen Kreisen auf der in Spanien produzierten Website cubaencuentro.com hinderte die Polizei mehrere Dissidenten aus dem Ostteil des Landes daran, nach Havanna zu kommen, um an der Gründungsversammlung teilzunehmen. Auch ein Europaabgeordneter der spanischen Sozialdemokraten erhielt kein Visum für die Einreise nach Kuba. Luis Yáñez hatte an der Gründungsveranstaltung in einem Haus in der Altstadt Havannas teilnehmen wollen.

In Kuba selbst wurde die Nachricht von der Parteigründung - die allerdings ehrlicherweise eher als simple Umbenennung des "Arco Progresista" gewertet werden muss - von den offiziellen Medien nicht berücksichtigt. Auch die Regierung unter Raúl Castro äußerte sich nicht zu der Gründung.

"Eine neue Dimension der Organisation" beschwor Leonardo Calvo, eines der Führungsmitglieder der neuen Partei. Der bisherige Sprecher des Arco Progresista, der bekannte Oppositionelle Manuel Cuesta Morua, sagte bei der Veranstaltung, die Partei wolle sozialdemokratische, christliche und liberale Inhalte vereinigen, die mit sozialistischen Werten im Einklang stehen. "Kuba braucht und verdient den Wiederaufbau als Land und eine Wiedergeburt als Nation", sagte Cuesta Morua laut dpa.

Tatsächlich allerdings hat sich seit der Machtübergabe von Fidel Castro zu seinem etwas jüngeren Bruder Raúl für die Dissidenten kaum etwas geändert. Zwar hat die US-Regierung angekündigt, ihnen mehr Geld zukommen zu lassen - was auf der Insel prompt für heftige Klage der Regierungspresse sorgte -, doch in der politischen Debatte, sofern vorhanden, sind die Dissidenten weiterhin nicht vertreten, und die meisten von ihnen sind im Ausland bekannter als in Kuba selbst.

Allerdings hat sich insgesamt auch die Befürchtung einer wesentlich stärkeren Repression gegen die Opposition nicht bewahrheitet. Zwar gibt es immer wieder kurzzeitige Festnahmen von bekannten Dissidenten - sie werden jedoch in aller Regel nach relativ kurzer Zeit wieder freigelassen.

Und offenbar hat sich auch in der Wahrnehmung der staatlichen Organe der Ausgangspunkt oppositioneller Gefahr verschoben, weg von den klassischen Dissidenten hin zu BloggerInnen wie Yoani Sánchez, die ihren Literaturpreis Ortega y Gasset dann nicht persönlich entgegennehmen durfte. Oder die jungen Leute der kubanischen Punkband "Porno para Ricardo" mit Sänger und Texter Gorki Águila an der Spitze, die die Möglichkeiten von Internet und YouTube trotz seit 2003 bestehenden Auftrittsverbots voll ausnutzen, um ihre Botschaft zu verbreiten: "Mit Raúl an der Spitze bleibt die Scheiße genau die gleiche." Mitte Juni wurde der 39-jährige Sänger zu einer Versammlung auf die Polizeiwache bestellt, an der auch Nachbarn und Parteifunktionären teilnahmen. Heimlich nahm er Teile der Versammlung auf Tonband auf und gab eine Erklärung ab, in der er seine grundsätzliche Opposition zum kubanischen Staat beschrieb.

Die Lieder von Porno Para Ricardo werden heimlich verkauft und getauscht. Von den Reden und Schriften der Dissidenten, die am Wochenende die sozialdemokratische Partei gründeten, kann man das nicht sagen.

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