Ground Zero: Eine kleine Moschee in Manhattan

Am "Ground Zero" soll ein islamisches Gemeindezentrum entstehen. Einfach wird das nicht. Bürgermeister Bloomberg sagt, Manöver zur Verhinderung seien "sehr unamerikanisch".

Eine Baustelle am "Ground Zero". Dort soll auch ein islamisches Gemeindezentrum gebaut werden. Bild: dpa

In einer engen Einbahnstraße an der Südspitze von Manhattan liegt, würdevoll wie eine schlafende alte Dame unter lärmenden Jugendlichen, ein verwunschenes altes Fabrikgebäude aus dem 19. Jahrhundert. Es steht hier seit 1850, was für New Yorker Verhältnisse schon als prähistorisch zu gelten hat, und seit vielen Jahren leer. Zuletzt wurden hinter der Backsteinfassade im Renaissancestil Mäntel der Marke "Burlington" geschneidert. Über den eisernen grauen Rollladen, mit denen das Gebäude gegen die Brandung der Betriebsamkeit dieser Stadt gesichert ist, kündete kürzlich noch ein alter Werbespruch in roten Buchstaben von der Vergangenheit: "Coats and more … for less!"

Umso erstaunlicher, dass vor dieser verschlafenen Adresse, 45 Park Place, die Ü-Wagen aller großen amerikanischen Fernsehsender Stoßstange an Stoßstange stehen, die aufgeregten Außenreporter sich gegenseitig auf die Füße treten und sich den Schweiß von der Stirn tupfen lassen, wenn die Kameras mal nicht laufen. Es waltet eine tropische Hitze an diesem 3. August, während das Publikum in den USA gebannt auf die Entscheidung der "Landmark Preservation Commission" wartet, ob dieses alte Fabrikgebäude unter Denkmalschutz gestellt wird.

Was weniger mit einem plötzlich erwachten Interesse der Amerikaner für schützenswerte Bausubstanz zu tun hat als damit, was nach dem geplanten Abriss an dieser Stelle 15 Stockwerke hoch aus dem Boden schießen soll: Ein muslimisches Gemeindezentrum, genannt "Cordoba House", in dem unter anderem eine Kochschule, ein Schwimmbad, ein Restaurant, ein Theater mit 500 Sitzplätzen und, ja, auch ein Gebetsraum untergebracht werden sollen. Keine Minarette.

Es gibt allein in New York schon viele solcher Zentren, aber keines in so unmittelbarer Nähe zu der Stelle, an der gerade mal zwei Blocks südlich am 11. September 2001 die Zwillingstürme des Word Trade Center einstürzten. Und deshalb sind vor allem rechtskonservative Kräfte in Amerika fest entschlossen, den Bau zu verhindern - oder, noch besser, einen fundamentalchristlichen Kulturkampf vom Zaun zu brechen. Dabei spielt es für die Gegner des Vorhabens keine Rolle, dass als Bauherr eine Cordoba Initiative auftritt, deren erklärtes Ziel die "Verbesserung der Beziehungen zwischen muslimischer und westlicher Welt" ist - und die gerade deshalb die symbolische Nähe zu Ground Zero suchte, seinerseits wiederum ein Symbol des "patriotischen Amerikas" und dessen traumatischer Verletzung. Der Tenor dieser "Patrioten" ist klar und deutlich, er steht auf den Schildern, unter denen sich ein Häuflein von Demonstranten versammelt hat: "Show respect for 9/11. No mosque!"

Dabei verlaufen die Frontlinien auch quer durch die republikanische Partei. New Yorks Bürgermeister Michael Bloomberg beispielsweise, ein Republikaner, steht voll hinter dem Projekt. Zwar dürfte er sich davon auch 150 Vollzeit- und 500 Teilzeitjobs versprechen, argumentiert damit aber nicht. Stattdessen verurteilt er politische Manöver zur Verhinderung - wie etwa den Versuch, das alte Gebäude unter Denkmalschutz zu stellen - als "sehr unamerikanisch". Amerikanisch sei dagegen die Vielfalt und der Wille, diese auszuhalten und zu organisieren. Ganz anders sein Parteifreund Newt Gingrich, der die klassische reaktionäre Rechnung aufmachte: "Solange es keine Kirchen oder Synagogen in Saudi-Arabien gibt, sollte es auch keine Moschee in der Nähe von Ground Zero in New York geben." Und per Twitter menschelte Sarah Palin zum Thema: "Friedliebende Muslime, bitte versteht, Ground-Zero-Moschee ist UNNÖTIGE Provokation; es ist ein Stich in unsere Herzen. Bitte lehnt es ab im Interesse der Heilung."

Mit dem Fundraising für das in höchstens zwei Jahren beginnende 100-Millionen-Dollar-Projekt ist noch nicht einmal begonnen worden, da wurde auf "Fox News" schon argwöhnisch angemerkt, das Geld könne von muslimischen Fundamentalisten kommen. Und hat Feisal Abdul Rauf, seit 1983 Iman in Manhattan und Vorsitzender der Cordoba Initiative, nicht womöglich Sympathien für die radikale Muslimbruderschaft in Ägypten? Oder die Hamas? Laut einer Fox-Umfrage sind mehr als 80 Prozent der Amerikaner gegen den Neubau.

Und die New Yorker? Im benachbarten Laden einer Telefongesellschaft mag man sich zum Thema nicht mehr äußern. Bleiben nur die Demonstranten, wütend, weil eben gemeldet wurde, dass die Fabrik abgerissen werden darf. Einer bezweifelt, dass kein Bauarbeiter "für die Muslime" arbeiten werde. Eine Frau schimpft: "Warum so nah? Das tut weh! Warum bauen sie ihre Moschee nicht gleich in den Freedom Tower, der jetzt auf Ground Zero hochgezogen wird?"

Ja, warum eigentlich nicht?

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