HIV-Positive dürfen wieder in die USA: Ende der Verbannung

US-Präsident Obama kippt ein Gesetz, das HIV-positiven Menschen verbot, in die Vereinigten Staaten zu reisen. Was bedeutet dieser Schritt für die Betroffenen?

Ab 1. Januar 2010 müssen HIV Positive bei der Einreise in die USA nicht mehr fürchten, abgewiesen zu werden. Bild: dpa

Für einen wie Thomas G. war die Reise in das Land seiner Träume immer mit einer heftigen Portion Angst belastet. Stand er auf dem New Yorker Flughafen in der Schlange vor den PassbeamtInnen, wusste er, alles auf dem grünen Fragekärtchen korrekt beantwortet zu haben. Nein, er würde weder Sprengstoff einführen noch ist er Mitglied einer den USA feindlichen Partei. Aber über einen Punkt musste er schweigen: Dass er HIV-positiv ist, also den Virus in sich trägt, der zu einer Aidserkrankung führen kann. Nie wurde er in dieser Hinsicht befragt, aber er wusste, dass er lügen muss. Denn die USA haben 1987 auf Initiative des ultrakonservativen Senators Jesse Helms einen Bann über ausländische HIV-Infizierte verhängt. Sie durften nicht mehr in die Vereinigten Staaten, und hätten sie diesen Umstand berichtet, wären sie auf der Stelle zurückgeschickt worden. Zahlen darüber, wie viele Personen an der Grenze abgewiesen worden sind, sind keine erhoben worden.

Der 42-jährige Gartenarchitekt muss sich nun keine Sorgen mehr machen, er kann unbeschwert FreundInnen besuchen, in Cleveland, Berkeley, Tampa oder Manhattan. US-Präsident Barack Obama hat am 30. Oktober eine präsidiale Verfügung unterzeichnet, derzufolge der Bann vom 1. Januar 2010 an nicht mehr gültig ist. Obama teilte bei der Zeremonie mit, dass "die USA eines von einem Dutzend Ländern" seien, die Menschen von der Einreise im Falle einer HIV-Infektion ausschlössen. Und das ginge gar nicht - "wenn wir das führende Land in Sachen HIV sein wollen, müssen wir auch entsprechend handeln".

Die Politik der Klerikalen war ohnehin kontraproduktiv: Sie hat bewirkt, dass sich Männer und Frauen, die um ihr möglicherweise riskantes Sexualverhalten wissen, also nicht strikt monogam oder asexuell leben, nicht testen ließen. Ein ertesteter Befund ist aber eine Voraussetzung, um eine medikamentöse Behandlung frühzeitig zu beginnen - und diese Präparate führen dazu, dass der Serostatus der Infizierten auf einen faktischen Negativwert sinken kann. Obamas Geste ist also eine der Entdramatisierung und der Coolness.

Der US-Kongress hat 1993 in Washington das sogenannte Helms-Amendment sogar zum Gesetz erhoben. Aus Protest gegen diese diskriminierende Politik weigerte sich die International Aids Society, die die Weltaidskonferenzen ausrichtet, das globale Spitzentreffen in den USA abhalten zu lassen. Das könnte sich nun ändern: Ins Gespräch für diese Konferenz, zu deren jüngster in Mexiko-Stadt knapp 265.000 Mediziner, Sozialarbeiter, Journalisten und Aktivisten reisten, haben sich Florida, San Francisco und Chicago gebracht.

Die Signatur Obamas besiegelte höchstoffiziell, was sein Amtsvorgänger zwar auch bereits angekündigt hatte, aber es bei einer Ankündigung beließ. Bushs Aidspolitik war ohnehin anrüchig, weil die Gelder, die seine Administration für den globalen Kampf (hauptsächlich in Afrika ausgetragen) auszugeben bereit war, an Konditionen geknüpft war: Kondome sollten nicht finanziert und Prävention sollte als Forderung nach Keuschheit definiert werden. Nicht wie in Deutschland oder der Schweiz, wo als Antwort auf eine HIV-Infektion ein verantwortlicher Umgang mit Präservativen propagiert wird.

Der Akt des Präsidenten ist möglicherweise auch ein weiteres Zeichen der Entemotionalisierung des hysterisch von Evangelikalen in den USA zugespitzten Kampfes gegen die Homoehe wie gegen die Schwulenszene überhaupt. In den USA wie in den allermeisten anderen Industrieländern wird ja Aids immer noch assoziiert mit Sex unter Männern. Der Einreisebann sollte vor allen Dingen ganz im Sinne seines Erfinder Jesse Helms global mobile Touristen wie bespielsweise homosexuelle Männer aus dem Land halten.

Die US-Bürgerrechtsbewegung Homosexueller fordert außerdem seit zehn Jahren, dass die Bestimmung des "Dont ask, dont tell" (Frag nicht, erzähl´s nicht) fällt - und glaubt, dass Obama ihnen die Aufhebung der Bestimmung im Wahlkampf versprochen habe. Tatsächlich meint dieses Credo eine der Heuchelei krass Auftrieb gebende Sache: Mit ihr ist Angehörigen des Militärs bei Strafe ihrer Entlassung verboten, über ihr Schwul- oder Lesbischsein Auskunft zu geben. Obama will diese Praxis beenden; ehemalige Generäle kritisierten, dass sie dazu beitrug, Zehntausende von hochqualifizierten Militärs entlassen zu müssen und so die Kampfkraft zu unterminieren.

Den Fall des HIV-Banns wird von der Deutschen Aidshilfe mit Freude begrüßt: "Nun ist der Stigmatisierung und der Angst bei der Einreise ein Ende gesetzt, zumindest für Touristen", so Sprecher Jörg Litwinschuh. Denn ob die Obama-Unterschrift auch jene betrifft, die in den USA studieren wollen oder arbeiten, ist noch offen.

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