Trinkwasser wird Luxusgut: Haiti in den Zeiten der Cholera

Sauberes Wasser ist für die meisten Menschen in Haiti unerschwinglich. Die Erdbebenopfer in Zeltstädten sind noch am besten dran.

Am Dienstagabend meldete die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt 284 Choleratote und 3.769 Erkrankte. Bild: dpa

Was hat der Ausbruch der Cholera in Haiti mit dem Erdbeben zu tun? Nichts, meint die Büroleiterin der Diakonie Katastrophenhilfe, Astrid Nissen. Die Epidemie sei Resultat einer "strukturellen humanitären Krisensituation" in Haiti. Die Hygiene und die Wasserversorgung sei im Armenhaus Lateinamerikas "schon immer prekär" gewesen.

Der Mangel an Trinkwasser und verunreinigtes Wasser, erklären Helfer vor Ort, seien nach wie vor eines der großen Probleme Haitis. Gemüse liege in den Märkten regelrecht im Dreck und werde nur unzureichend erhitzt konsumiert. Ein 16-Liter-Kanister mit Trinkwasser kostet inzwischen 200 Gourdes, umgerechnet etwas mehr als vier Euro. Das ist unerschwinglich für den Großteil der Bevölkerung, die zu vier Fünftel mit durchschnittlich 77 Eurocent am Tag ihren Lebensunterhalt bestreiten muss. Viele Menschen sind daher regelrecht gezwungen, kontaminiertes Wasser aus dem Fluss zu nutzen - nicht nur für die Wäsche und zum Baden, sondern auch fürs Kochen und zum Trinken.

Diese Probleme hätten sich seit dem Erdbeben vom Januar, das rund 300.000 Tote forderte, noch verschärft, sagt der Hospitalmanager des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Haiti, Andreas Fabricius. Das DRK betreibt seit dem Erdbeben ein großes Behelfskrankenhaus in Carrefour. Eine der Ursachen für den Ausbruch der Cholera sieht Fabricius in den schweren Regenfällen der letzten Wochen, die zu Überschwemmungen geführt hätten und auch dazu, dass Latrinen übergelaufen seien. Zum Glück regne es derzeit nicht, sagt Fabricius. Aber ein erneuter schwerer Regen oder ein tropischer Sturm könnten die Lage verschärfen.

Die rund 1.300 provisorischen Zeltlager der Erdbebenüberlebenden, in denen seit Monaten rund 1,3 Millionen Menschen in mehr als prekären Verhältnissen leben, blieben bisher von der Cholera verschont. Das liegt vor allem an den internationalen Hilfswerken. Sie sorgen dafür, dass regelmäßig gereinigtes Trinkwasser in die Lager geliefert wird und die Mobiltoilettenhäuschen halbwegs regelmäßig geleert und gereinigt werden. Nachdem sich aber die allgemeine Wasserversorgung wieder stabilisiert hat, erhalten viele der "normalen" Stadtviertel wieder "normales" Wasser aus der Leitung, sofern diese nicht beschädigt ist. Vor allem für die Slums von Port-au-Prince besteht deshalb eine erhöhte Choleragefahr.

Aus Port-au-Prince werden bereits mindestens drei Choleraerkrankungen bestätigt. Die Personen würden allerdings aus der Epidemieregion im Norden der haitianischen Hauptstadt stammen, heißt es dort.

Die Koordinatorin der deutschen Hilfsorganisation Humedica, Caroline Klein, warnt davor, von einer Eindämmung der Suche zu reden. Das Gegenteil sei der Fall: "Wir wissen, dass die Cholera sich im Norden weiter ausbreitet und es einen großen Bedarf an Hilfe gibt. Die Situation ist definitiv nicht unter Kontrolle und es gibt noch immer betroffene Orte, die komplett ohne medizinische Versorgung sind", heißt es in einer Erklärung. Die Kindernothilfe in Haiti (KNH), die Tausende oftmals chronisch unterernährte Kinder und Waisen in den Notlagern betreut, hat bereits an lokale Partnerorganisationen "Hygienekits" verteilt. Es werden Mitarbeiter in Choleraprävention geschult und Wasserfilter verteilt, sagt KNH-Sprecherin Katja Anger.

Am Dienstagabend meldete die UN-Weltgesundheitsorganisation (WHO) insgesamt 284 Choleratote und 3.769 Erkrankte. Die Epidemie breite sich nicht mehr so schnell aus wie zu Anfang, die Sterberate gehe zurück. Alle Fälle wurden bisher im Gebiet nördlich von Port-au-Prince zwischen der Hafenstadt St. Marc und Gonaïve gemeldet. In St. Marc griffen etwa 300 Menschen aus Angst vor Ansteckung ein Cholera-Behandlungszentrum von Ärzte ohne Grenzen an, schleuderten Steine und einen Molotow-Cocktail. Argentinische UN-Soldaten rückten an. Behördenvertreter versicherten der aufgebrachten Menge schließlich, dass die Klinik nicht in ihrem Viertel eingerichtet werde.

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