Bilder des Grauens aus Haiti: Unter Überlebenden

Eindrücke aus einem zerstörten Land: taz-Reporter Hans-Ulrich Dillmann, der gut zehn Tage für die taz im Katastrophengebiet war, schildert seine Erlebnisse.

Spielende Kinder in den Trümmern von Port-au-Prince. Bild: ap

BERLIN taz | Ein paar Tage später hätte er ohnehin nach Haiti fahren wollen. Eine Reportage über die Zustände im Zentralgefängnis in der Hauptstadt Port-au-Prince war geplant. Als am Nachmittag des 12. Januar in Haiti die Erde bebt, beschließt er, sofort zu fahren. Mit zwei Kollegen von anderen deutschen Medien reist er von der Dominikanischen Republik aus über die Grenze, dann nach Port-au-Prince. Zunächst hoffen sie, dass es doch nicht so schlimm gekommen ist.

"Aber mit jedem Meter, den wir in unserem klimatisierten Geländewagen in die Straßen von Bel Air und dann ins normalerweise hektisch pulsierende Zentrum der Stadt eindringen, wird es leiser im Fahrzeug. Jeder versucht auf seine Weise, die Fassung nicht zu verlieren. War da nicht eine Hand, die zwischen den beiden Steinbrocken hervorlugt? Ist das nicht ein Bein, über das sich eine gräuliche Staubpatina gelegt hat?

Bevor wir in die Straße einbiegen, in der das Krankenhaus der Ärzte ohne Grenze liegt, müssen wir einem Leichenberg ausweichen. Aufgequollene Frauenkörper liegen rücklings halb auf der Bordsteinkante, darüber ein Baby, ein Bein, blutig gequetscht. Kalte Augen starren mich an. Was haben diese Menschen, was hat diese Land getan, dass sie seit Jahrhunderten so bestraft werden?

Leben und Sterben, die Trennungslinie ist vor der Trinity Medical Clinic zehn Zentimeter breit. Ein Kind mit verkrustetem, zermalmtem Gesicht liegt im Schoß der Mutter leise wimmernd. Daneben ruht ein Leichnam, Fliegen umschwirren ihn, das Gesicht ist mit einem Tuch abgedeckt. "Wann helft ihr uns?", fragt ein Mann. Wir fahren weiter, um uns ein genaueres Bild des Grauens zu machen. Womit soll ich helfen? Ich könnte die Hand halten, aber was sonst?"

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