Beweis für Militärskandal in Kolumbien: Wenn die Einschusslöcher nicht passen

Die kolumbianische Armee erklärt Mordopfer zu Guerilleros und kooperiert mit Paramilitärs. Die USA weiß das schon lange.

Kriminelle Rebellenjagd: Kolumbiens Armee steckt Mordopfer in Guerillaanzüge. Bild: dpa

Die Erfolgsquote der kolumbianischen Armee hat eine Maßeinheit: tote Guerilleros. Dass deshalb auch Zivilisten entführt, erschossen, in Militäruniformen gesteckt und als gefallene Guerilleros präsentiert werden, ist bekannt. Nicht bekannt war bisher, wie tief und wie lange diese "Doktrin des Body Count" in der kolumbianischen Armee verwurzelt ist und dass die US-Behörden bereits seit Anfang der 1990er-Jahre davon Kenntnis hatten.

Auf der Webseite des National Security Archive der Universität George Washington (www.gwu.edu/~nsarchiv) sind jetzt freigegebene Dokumente der US-Diplomatie zu lesen, die belegen, dass die US-Behörden über diese Praxis informiert waren. Bestens bekannt war auch die Zusammenarbeit der kolumbianischen Armee mit den rechten paramilitärischen Gruppen AUC. In wenigen Tagen wird Kolumbiens Präsident Álvaro Uribe vom scheidenden George W. Bush noch den Freiheitsorden bekommen. Uribe wiederum wird sich für die milliardenschweren Hilfen im Rahmen des "Plan Colombia" bedanken, mit dem die USA seit 1999 Kolumbiens Armee in beispielloser Weise aufgerüstet haben.

Álvaro Uribe hatte sich Ende Oktober an die Spitze der Aufklärer gestellt, als die Verwicklungen von Armeeangehörigen in die Ermordung von mindestens 20 Jugendlichen bekannt wurden. "Sie töten Unschuldige, um vorzutäuschen, sie gingen gegen Kriminelle vor", sagte Uribe in einer Fernsehrede und versetzte 27 Militärs in den Ruhestand, darunter 3 Generäle.

Die Jugendlichen waren Anfang 2008 aus der Ortschaft Soacha, nahe der Hauptstadt Bogotá, verschwunden und wurden später von der Armee als gefallene Rebellen bei Gefechtshandlungen in anderen Regionen des Landes ausgewiesen. Vor einigen Wochen waren ihre Leichen in Massengräbern im Nordosten des Landes gefunden worden. Der Skandal reichte bis in die höchste Militärspitze. Anfang November trat der Oberste Kommandant der Streitkräfte, General Mario Montoya, von seinem Posten zurück. General Mario Montoya galt als Anhänger des Body Count.

Was im Oktober 2008 für öffentliches Aufsehen gesorgt hatte, ist jedoch eine altbewährte Praxis der kolumbianischen Streitkräfte im Kampf gegen die Guerilla. Das belegen die jetzt freigegebenen Dokumente der US-Diplomatie. Die Praxis des Body Count ist demnach eines der wichtigsten Merkmale des Verhaltens der kolumbianischen Armee, das zur systematischen Verletzung der Menschenrechte und zur Zusammenarbeit mit den paramilitärischen Gruppen führte. In einem zehn Jahre alten CIA-Bericht wird die Praxis durch die Aussagen eines Offiziers der kolumbianischen Armee belegt, der ein "Body Count Syndrome" in den Streitkräften bestätigt. Weiter heißt es: "Diese Denkart fördert Menschenrechtsverletzungen bei Soldaten, die versuchen ihre Quote zu erfüllen, um ihre Vorgesetzten zu beeindrucken."

Der früheste durch die Dokumente belegte Vorfall stammt aus dem Jahr 1990. Der damalige US-Botschafter in Bogotá, Thomas McNamara, informierte die zuständigen Stellen in Washington in einem Kabeltelex über eine Kampfhandlung im Juni 1990, bei der die Armee angeblich neun Guerilleros getötet hatte. "Die Untersuchungen … lassen stark vermuten …, dass die neun von der Armee exekutiert wurden und dann mit militärischen Drillichanzügen eingekleidet wurden. Ein Militärrichter stellte am Ort des Geschehens fest, dass in den Uniformen die zu den Einschusswunden an Leichen der Opfer gehörenden Einschusslöcher fehlten", so McNamara.

Ein anderes Ereignis aus dem Jahr 2000 belegt die engen Verbindungen zwischen Armee und Paramilitärs. Im Februar des Jahres 2000 beanspruchten sowohl die Streitkräfte als auch die paramilitärischen AUC die Tötung von zwei ehemaligen Guerilleros in der Nähe der Stadt Medellín. US-Botschafter Curtis Kamman telegrafierte damals an seine vorgesetzten Behörden in Washington, die AUC habe laut Augenzeugen die beiden Männer entführt, die Armee die Toten hernach als "im Kampf getötete Guerilleros" präsentiert. Klarer kann man eine Zusammenarbeit nicht belegen, die offiziell bis heute von Regierung und Armee geleugnet wird.

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