Friedensdschirga in Kabul: Trotz Raketenbeschuss fortgesetzt

In Kabul sind die Debatten der Friedensdschirga über einen möglichen Friedensprozess fortgesetzt worden. Die Taliban haben für Karsais Treffen weiter nur Beschuss und Hohn übrig.

1.600 afghanische Delegierte sollen in Kabul den Friedensprozess einleiten. Bild: reuters

BERLIN taz/dpa | Noch während Präsident Hamid Karsai am Mittwoch die Friedensdschirga in Kabul mit seiner Rede eröffnete und dabei den "lieben Taliban" eine Regierungsbeteiligung anbot, schlugen in der Nähe Raketen seiner Wunschkoalitionspartner ein. Nach dem ersten Knall bat Karsai die 1.600 afghanischen Delegierten und 200 internationalen Beobachter, sich "keine Sorgen" zu machen. Doch nachdem ein weiteres Geschoss nur 100 Meter vom Dschirgazelt entfernt einschlug, wurde die Sitzung unterbrochen. Karsai verließ das Gelände.

Weiter südlich versuchten vier Selbstmordattentäter in Burkas zur Dschirga durchzubrechen und verwickelten die Polizei in eine Schießerei. Damit zeigten die Taliban, dass 12.000 Sicherheitskräfte kein sicheres Treffen gewährleisten können.

Schon zuvor hatten die Taliban die Dschirga als "bestellte" Veranstaltung und "Propagandainstrument" bezeichnet, welche Afghanistans Ratstradition "herabwürdige". Sie "gibt Amerika nur einen weiteren Vorwand, den Krieg in Afghanistan fortzusetzen". Auch die von dem berüchtigten Warlord Gulbuddin Hekmatjar geführte Rebellengruppe Hisb-i-Islami lehnt die Dschirga ab. Noch Ende März war eine Hisb-Delegation von Karsai persönlich empfangen worden. Anschließend wurde bekannt, dass bei dem Treffen nichts herausgekommen war. Das ist diplomatischer Dilettantismus.

Auch Karsais Angebot am Mittwoch in Richtung Taliban zeigt, wie planlos und naiv er und seine westlichen Unterstützer den "Friedens- und Versöhnungsplan" umsetzen wollen. Offiziell als Kabuler Produkt und Zeichen von Karsais zunehmender Führungsstärke präsentiert, sei er tatsächlich unter Federführung des Londoner Adam Smith Institute entstanden, finanziert von der britischen Regierung, sagte ein Beteiligter der taz. Zudem versucht Karsai, die Dschirga auch innenpolitisch auszuschlachten. Als Vorsitzenden ließ er Expräsident Burhanuddin Rabbani wählen, eigentlich einer seiner Hauptgegner.

Damit will Karsai einen Keil in die neue Oppositionsallianz "Hoffnung und Wandel" treiben, die sein damaliger Gegenkandidat Abdullah Abdullah nach der gefälschten Präsidentschaftswahl 2009 gründete. Rabbani ist eigentlich einer ihrer Führer.

Im Zelt sagte der Parlamentarier Hanif Schah aus Khost, der einen Bruder bei den Taliban hat: "Die Dschirga wird nur dem Präsidenten nutzen. Das ist keine Dschirga für den Friedensprozess."

Die Delegierten kamen am Donnerstag in 28 Arbeitsgruppen zusammen, um hinter geschlossenen Türen über Rahmenbedingungen für mögliche Verhandlungen mit den Aufständischen zu beraten. Die Ratsversammlung soll am Freitag mit einer Erklärung enden. Die Entschlüsse sind aber nicht bindend. Auch am zweiten Tag der afghanischen Ratsversammlung herrschten in der Hauptstadt weiter strengste Sicherheitsvorkehrungen.

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