Schwarz-gelbe Koalitionsverhandlungen: Alles bleibt, wie es ist

FDP und CDU kündigen harte Koalitionsverhandlungen an. Dabei sind Gesundheitsfonds, Kündigungsschutz und Anti-Terror-Gesetze strittige Punkte. Doch Kompromisse zeichnen sich ab.

Guido Westerwelle und Angela Merkel poltern laut - doch unterscheiden sich ihre Parteiprogramme nur geringfügig. Bild: dpa

Innere Sicherheit: Geheime Wunschliste

FREIBURG taz | Die größten Konflikte zwischen Union und FDP werden bei der inneren Sicherheit erwartet. Die FDP will vor allem Verschärfungen verhindern. Und dabei hat sie einiges zu tun, denn kurz vor der Wahl wurde eine Wunschliste aus dem Bundesinnenministerium bekannt, die den Liberalen gar nicht schmeckt. So sollen künftig - neben dem Bundeskriminalamt - auch Verfassungsschutz und Landespolizei heimlich Computerfestplatten durchsuchen dürfen. Verfassungsschutz und Polizei sollen außerdem Kameras in Wohnungen installieren können. Und der Inlandsgeheimdienst soll die organisierte Kriminalität überwachen dürfen, bisher ist dies nur Aufgabe der Polizei.

Für die FDP ist diese Wunschliste ein Segen. Denn all diese Vorschläge stehen nicht im CDU-Wahlprogramm. Weil die Liste durch eine Indiskretion bekannt wurde, könnte sich die FDP als erfolgreich rühmen, wenn die aufgeführten Projekte nicht im Koalitionsvertrag auftauchen.

Die kontroverseste kriminalpolitische Forderung im Union-Wahlprogramm ist der Einsatz der Bundeswehr im Innern. Die Armee soll neben dem Katastrophenschutz künftig auch "bei der Bewältigung terroristischer Gefahren" genutzt werden. Dagegen heißt es im FDP-Programm: "Die FDP lehnt den Einsatz der Bundeswehr im Innern über bestehende Aufgaben hinaus strikt ab." Prognose: Auch hier bleibt alles, wie es ist.

Umgekehrt wird die FDP aber keinen Erfolg haben, wo sie die Rücknahme von umstrittenen Gesetzen fordert. So verlangen die Liberalen die Abschaffung der Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungsdaten (dies soll putzigerweise der "Wiederherstellung des Bankgeheimnisses" dienen). Auch die BKA-Novelle von 2008 lehnt die FDP ab. Damals bekam das Bundeskriminalamt erstmals die Aufgabe, auch präventiv gegen den internationalen Terrorismus vorzugehen. In beiden Fällen hat die CDU/CSU bereits signalisiert, dass sie am erreichten Status quo festhalten will.

Erfolg in der Koalition könnte die FDP eher mit ihrer Kritik an Internetsperren haben. Hier ist das - eher symbolische - Gesetz noch nicht in Kraft. Und auch manche CDU-Politiker sehen das Projekt gegen angeblich frei zugängliche Kinderpornografieseiten kritisch.

CHRISTIAN RATH

Gesundheit: In jedem Fall teurer

BERLIN taz | Als Schritt in die "Staatsmedizin" geißelt die FDP den Gesundheitsfonds, doch die Bundeskanzlerin will gegen alle Proteste an ihm festhalten. Doch bereits in der vergangenen Woche zeichnete sich ein Kompromiss zwischen Union und FDP ab: Der Gesundheitsfonds darf weiter seine Kernaufgabe erfüllen, nämlich die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge zur Krankenversicherung sammeln, mit Steuergeld aufstocken und nach einem komplizierten Schlüssel an die gesetzlichen Kassen verteilen. Allerdings könnte der von der Bundesregierung zentral festgelegte Beitragssatz kippen. Und das ginge zulasten der Versicherten.

Durch einen Trick könnten die Freidemokraten zumindest erreichen, dass Kassen wieder selbst die Höhe ihres Beitragssatzes festlegen. Das ginge so: Die Kassen erhalten die Möglichkeit, den Arbeitnehmeranteil zur Krankenversicherung, derzeit 7,9 Prozent des Bruttoeinkommens, anzuheben. Der Arbeitgeberanteil in Höhe von 7 Prozent würde hingegen eingefroren. Das hätte zwei Folgen: Absehbare Kostensteigerungen bleiben an den Mitgliedern hängen, und die Kassen gerieten unter noch stärkeren Konkurrenzdruck.

Ärzte, Apotheker und Pharmaunternehmen hingegen wird die künftige Koalition zu schonen versuchen. Die FDP weiß unter ihren Anhängern viele selbstständige Mediziner. Auch in die Union setzen deren Standesvertreter große Hoffnungen. Wahrscheinlich wird die Koalition daher die Pflicht der Kassen abschaffen, Hausarztverträge anzubieten. Diese sollen Hausärzte zur zentralen Anlaufstelle für Patienten machen und so gegenüber den besser verdienenden Fachärzten stärken.

Nach dem Wahlsieg von Schwarz-Gelb sind die Aktien vieler Pharmaunternehmen gestiegen. Dahinter steckt die Hoffnung der Konzerne, dass bald Schluss ist mit den rigiden Kontrollen für neue Medikamente. Ein zentrales Institut, das IQWiG, entscheidet, ob ein Produkt eine wesentliche Verbesserung für den Patienten darstellt. Dies soll verhindern, dass Konzerne altbekannte Arzneien unter neuem Namen und zu hohen Preisen in den Markt drücken können. Kommt die Industrie künftig wieder einfacher damit durch, steigen die Medikamentenpreise - und damit die Kosten für alle Versicherten.

MATTHIAS LOHRE

Sozialpolitik: Kein Mindestlohn

BERLIN taz | In der Sozialpolitik sind sich Union und FDP in einem wichtigen Punkt einig: Ein gesetzlicher Mindestlohn, also eine Lohnuntergrenze von beispielsweise 7,50 Euro die Stunde, wird nicht kommen. An den schon vorliegenden branchenspezifischen Mindestlöhnen soll andererseits nicht gerüttelt werden, so viel hat Bundeskanzlerin Angela Merkel klargestellt. Fragt sich, ob es künftig noch mehr solcher Branchenmindestlöhne gibt, etwa die Einführung einer Lohnuntergrenze bei Leiharbeit. Der Chef des Arbeitnehmerflügels der Union, Karl-Josef Laumann, hat dies vorgeschlagen. Die FDP ist grundsätzlich gegen Mindestlöhne.

Ermüdende Wortgefechte sind zum Thema Kündigungsschutz zu erwarten, einem neoliberalen Klassiker. Die FDP fordert laut Wahlprogramm, der Kündigungsschutz solle erst für Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten und nach einer Beschäftigungsdauer von zwei Jahren greifen. Bisher gilt eine Grenze von 10 ArbeitnehmerInnen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla betonten jedoch bereits, am Kündigungsschutz werde nicht gerüttelt. Gerade in der Wirtschaftskrise hat der Kündigungsschutz Massenentlassungen vermieden - und daran hat auch eine schwarz-gelbe Regierung Interesse.

Nahe beisammen sind Union und FDP, wenn es um die Erhöhung des Schonvermögens für Arbeitslosengeld-II-Empfänger geht. Die FDP möchte die Freigrenze für Schonvermögen laut Wahlprogramm auf 750 Euro pro Lebensjahr steigern. Die Union will laut Wahlprogramm die Freigrenze "wesentlich erhöhen", wenn das Geld der Altersvorsorge dient. Bisher gilt ein Schonvermögen von 500 Euro.

Die FDP stellt auch radikalere Forderungen, etwa die Verdienstgrenze für Minijobs von 400 auf 600 Euro zu erhöhen und das Arbeitslosengeld II als "Bürgergeld" vom Finanzamt auszahlen zu lassen. Damit wird sie sich als kleinerer Koalitionspartner kaum durchsetzen.

Entscheidend ist vielleicht nicht so sehr, was unter Schwarz-Gelb kommt, sondern welche Probleme nicht angegangen werden: das Unterlaufen von Tariflöhnen durch Minijobs, das Auslagern von Jobs in Leiharbeit, die Beschäftigungsförderung von Langzeitarbeitslosen, die Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen.

BARBARA DRIBBUSCH

Steuern: Ein bisschen was geht immer

BERLIN taz | Angela Merkel hat Erfahrung mit Unmöglichem. Als sie 2005 mit der SPD Koalitionsverhandlungen führte, erklärte die CDU-Chefin: "Dies ist eine Aufgabe, die mindestens die Quadratur des Kreises, wenn nicht die Kugelmachung des Würfels bedeutet." Ihr Satz passt auch vier Jahre später sehr gut, insbesondere beim Thema Steuern. Union wie FDP haben im Wahlkampf trotz einer Rekordneuverschuldung Steuersenkungen versprochen. Doch es gibt Chancen auf gesichtswahrende Kompromisse.

40 Milliarden Euro muss die Koalition in den kommenden vier Jahren im Bundesetat sparen oder durch höhere Steuern aufbringen. Zumindest geht dies aus einem internen Papier des Kanzleramts hervor, das am vergangenen Wochenende durchsickerte. Mögliche Steuerentlastungen sind dabei noch nicht eingerechnet. Laut Spiegel fallen 2011 rund 7,2 Milliarden Euro an, ein Jahr später 12,8 Milliarden Euro, im Jahr 2013 schließlich 20,6 Milliarden Euro. Darüber hinaus sieht die von Schwarz-Rot ins Grundgesetz geschriebene Schuldenbremse vor, dass der Bund seinen Haushalt bis 2016 weitgehend ausgleichen muss.

Der Focus zitierte aus dem sechsseitigen Papier mit dem Titel "Finanzpolitische Lage des Bundes", das Merkel am Donnerstag den Spitzen der Union präsentierte. Demnach könne die künftige Koalition "den verfassungsrechtlichen Anforderungen der neuen Schuldenregel ab 2011" ohne massive Reformen nicht gerecht werden.

Kein Wunder, dass CDU-Vize Roland Koch, auch als Finanzminister im Gespräch, da nur "sehr begrenzten" Spielraum für steuerliche Entlastungen sieht. Die neue Bundesregierung werde vor allem die kalte Progression bei der Einkommensteuer angehen und "lieb gewonnene Programme", nämlich "Förderprogramme, Subventionen, staatliche Dienstleistungen auf den Prüfstand stellen".

Ein Steuergeschenk gilt bereits als so gut wie sicher. Die FDP könnte es ihren Anhängern als Erfolg verkaufen, wenn der Steuerfreibetrag für Kinder von 6.024 Euro auf Erwachsenenniveau angehoben wird. Im kommenden Jahr sind dies 8.004 Euro. Davon würden Gutverdiener mit Kindern profitieren. Auch die Union hat die Anhebung in ihrem Wahlprogramm versprochen.

MATTHIAS LOHRE

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