Bartsch gegen Wagenknecht: Alte linke Irrtümer

In der Linkspartei gibt es Zoff um das Wahlprogramm. Den Fundis fehlen Bekenntnisse zum Sozialismus. Bundesgeschäftsführer Bartsch wirft den Kritikern "Verbalradikalismus" vor.

Nicht empfänglich für die Kritik des AKL: Bartsch und Korte. Bild: dpa

In der Linkspartei ist ein scharfer Streit über das Programm für die Bundestagswahl ausgebrochen. Die in der Antikapitalitischen Linken (AKL) zusammengeschlossenen Fundis kritisieren, dass der etwa 60-seitige Programmentwurf "Anbiederung ans Estabishment" sei. Das Entwurf sei "verwässert und weichgespült" und könne auch aus den Parteizentralen von SPD oder Union stammen.

Die Parteilinke Ulla Jelpke fordert ein "klar antikapitalistisches Programm". "Wir wollen ein anderes System", so Jelpke zur taz. In dem Entwurf fehle die Forderung, dass "Hartz IV weg muss". Auch dass das Wort Sozialismus, so die Kritik der AKL, an keiner Stelle auftauche, zeige, dass der Entwurf auf die vorauseilende Anpassung an Rot-Grün ziele.

Die AKL will ihre Forderungen nach einem radikaleren Wahlprogramm nun im Parteivorstand am 10. Mai und auf dem Wahlparteitag im Juni durchsetzen. Unterstützt wird sie dabei von Teilen der Sozialistischen Linken (SL) und der Kommunistische Plattform (KPF) um Sahra Wagenknecht. Wagenknecht lehnt den Entwurf allerdings komplett ab. "Er ist so unzulänglich, dass es uns sinnlos erscheint, Änderungsanträge zu stellen", heißt es in einer Erklärung der Kommunistischen Plattform. Wagenknecht, die schon 2006 ohne Erfolg die programmatischen Eckpunkte der Partei verdammte, will, dass der Parteivorstand einen völlig neuen Entwurf vorlegt.

Damit beißt sie allerdings in der Parteizentrale auf Granit- vor allem bei dem realpolitisch orientierten Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch, der den Programmentwurf verantwortet."Es hätte mich geschmerzt, wenn Sahra Wagenknecht mich nicht angriffen hätte", so Bartsch zur taz. Der Entwurf müsse zwar in Passagen, zum Beispiel was Ostdeutschland betreffe, präzisiert und zugespitzt werden. Die Fundamentalkritik - etwa dass das Wort Sozialismus fehle - sei aber völlig unangemessen. Sinn des Wahlprogrammes sei es, Ziele für die nächsten vier Jahre zu beschreiben. Wer glaubt, so Bartsch, "dass wir in vier Jahren den Sozialismus einführen, hat nicht alle Tassen im Schrank." Die Kritik zeige, dass es grundsätzlich verschiedene Auffassungen linker Politik in der Partei gebe. Mit "Verbalradikalismus aus dem letzten Jahrhundert" werde die die Partei sich selbst isolieren.

Auch der realpolitisch orientierte Bundestagsabgeordnete Jan Korte hält die AKL-Kritik für einen Holzweg. Es sei "ein alter linker Irrglaube, dass in der Krise radikale Sprüche nutzen." Den Vorwurf, dass der Programmentwurf den Zweck erfülle, die Linkspartei regierungsreif zu machen, sei "einfach nur absurd."

So zeichnet sich die übliche Frontlinie ab. Die PDSler um Gregor Gysi und Bartsch plädieren für maßvolle Forderungen, die vor allem im Westen starke AKL für einen entschieden antikapitalistischen Kurs. Wie weit sich die Fundis damit durchsetzen können, wagt derzeit kaum jemand zu progostizieren. Manche Realos fürchten, dass die AKL mit Losungen wie "Hartz IV muss weg" oder "Deutschland raus aus der Nato" den Parteitag im Juni für sich mobilisieren kann und die Partei in Richtung Politikunfähigkeit manövriert. Ein der zentristischen "Sozialistischen Linken" nahe stehender Bundestagabgeordneter warnt: "Wir können uns ein Wahlprogramm mit radikaler Bekenntnislitanei nicht leisten".

Eine Schlüsselrolle wird mal wieder Oskar Lafontaine spielen, der oft gegen die Ost-Realos Stellung bezog. In der Frage des sofortigen Nato-Austritts allerdings haben die Fundis in Lafontaine keinen Mitstreiter. In der Fraktionssitzung am Dienstag plädierte Lafontaine für eine vorsichtige Linie, die die Sicherheitsbedürfnisse der Bürger berücksichtige. Die Nato müsse in eine kollektive Sicherheitstruktur überführt werden, so der Linksparteichef.

Das war sogar für manche Realos eine zu "sozialdemokratische Rede".

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