BGH zum Oury-Jalloh-Feuertod: Freispruch könnte aufgehoben werden

Vermutlich muss der Oury-Jalloh-Prozess wiederholt werden. Die BGH-Richterin sieht eine lückenhafte Beweiswürdigung beim Freispruch für einen Polizisten.

Demonstration gegen die "schleichende Aufklärung" des Feuertods. Bild: dpa

Beim Bundesgerichtshof zeichnet sich eine dicke Überraschung ab. Der Prozess um den Tod von Oury Jalloh, der vor fünf Jahren in einer Dessauer Polizeizelle verbrannte, muss vermutlich wiederholt werden. Dies deutete sich gestern bei der Revisionsverhandlung in Karlsruhe an. Dem Polizisten Andreas S. würde dann doch eine Verurteilung drohen.

Der in Dessau lebende Afrikaner Oury Jalloh war im Januar 2005 schwer betrunken in Gewahrsam genommen worden. Wenige Stunden später verbrannte der Mann aus Sierra Leon in seiner Ausnüchterungszelle, weil die Matraze in Brand geraten war. Der gefesselte Flüchtling soll sie, so die Ermittler, mit einem übersehenen Feuerzeug selbst angezündet haben.

Angeklagt wurde schließlich der damalige Dienstgruppenleiter, Haupkommissar Andreas S., und ein weiterer Polizist. S. wurde Körperverletzung mit Todesfolge vorgeworfen, weil er das Signal eines Rauchmelders mehrfach abschaltete, statt sofort Rettungsmaßnahmen einzuleiten. Nach einem eineinhalbjährigen Prozess wurden beide Polizisten jedoch im Dezember 2008 vom Landgericht Dessau freigesprochen. Jalloh hätte eh nicht gerettet werden können, meinten die Dessauer Richter. Staatsanwalt und Nebenklage reichten Revision ein.

Ulrich von Klinggräff forderte im Namen der Nebenklage gestern eine Aufhebung der Freisprüche. Das Gericht habe die ursprüngliche Aussage einer Polizistin, die ihren Chef S. zunächst belastete, später ihre Aussage aber immer mehr abschwächte, zu wenig berücksichtigt. Doch an diesem Punkt sah die Vorsitzende Richterin Ingeborg Tepperwien keinen Schwachpunkt des Urteils. In der Revision sei die Beweiswürdigung der Vorinstanz grundsätzlich zu akzeptieren. "Den möglichen Gruppendruck haben die Dessauer Richter sicher gesehen und in Rechnung gestellt."

Tepperwien benannte jedoch eine andere potenzielle Lücke in der Beweisführung des Landgerichts. Möglicherweise habe der Rauchmelder in Jallohs Zelle nicht erst angeschlagen, als das Innere der Matraze lichterloh brannte, sondern schon, als Jalloh die unbrennbare Hülle der Matraze ankokelte. Falls aber der Rauchmelder bereits Minuten früher anschlug als bisher angenommen, hätte Jalloh von Dienstgruppenleiter Andreas S. wohl noch gerettet werden können – wenn er sofort auf den Alarm reagiert hätte. Dies müsste dann ein neuer Prozess klären.

Ob der Freispruch für den Polizisten aufgehoben wird, will der BGH am 7. Januar verkünden, ausgerechnet am Todestag von Oury Jalloh. Die zahlreich anwesenden Freunde von Jalloh protestierten sofort, weil sie an diesem Tag eigentlich in Dessau demonstrieren wollten.

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