Zukunftskonvent der SPD: Beck ist kein Obama

Beim Zukunftskonvent in Nürnberg inszeniert sich die SPD als einige Partei. SPD-Chef Beck grenzt sich von der Linkspartei ab und macht der FDP unverbindliche Angebote.

"Sprecht mir nach: Yes, we can", rief Beck in Nürnberg in die Messehalle. Bild: dpa

NÜRNBERG taz "Aufstieg und Gerechtigkeit" steht über Kurt Becks Rednerpult. Aufstieg in Aufmerksamkeit heischendem rot, Gerechtigkeit in unauffälligem schwarz. Das ist eine Botschaft. Der individuelle Aufstieg kommt zuerst, die Gerechtigkeit danach. Die zerzauste SPD, die in Umfragen ins Bodenlose stürzt, will wieder etwas Positives, nach vorne Gerichtetes ausstrahlen. "Wir sind nicht entweder für die Leistungsträger oder für Unterschicht, sondern für beide da" ruft Kurt Beck in den Nürnberg Messesaal.

78 Minuten dauert seine Rede. Die Funktionsträger, die in der Partei etwas zu sagen haben, stehen buchstäblich hinter ihm. Klaus Wowereit und Andrea Ypsilanti, Olaf Scholz und viele andere. Ein Gruppenbild, das Einigkeit demonstrieren soll, Andrea Nahles, die kürzlich von Angela Merkel ironisch zur heimlichen Chefin der SPD geadelt wurde, sitzt neben Beck und nickt. Immer wieder. 78 Minuten lang.

In der Rede kommt viel vor, zu viel. Die Landwirtschaft, die innere Sicherheit, der Zustand der SPD, der Faschismus, den Solizuschlag, das SPD-Steuerkonzept. Und und und. Aber für Kurt Becks Verhältnisse ist es eine klare, konzentrierte Rede. Als er den Mindestlohn fordert, gibt es tosenden Applaus. Zu Merkels Bemerkung, bei der Chaos-SPD könne sie ja gleich Nahles anrufen, um zu wissen, was die SPD will, ruft er, dass es schön wäre wenn Merkel überhaupt "mal jemand in der SPD anruft". Solche Retourkutschen kommen an, innen. Nach außen sendet Beck zwei Botschaften: 2009 wird es weder eine Koalition mit noch eine Tolerierung durch die Linkspartei geben. Und: Wir machen die Tür zur FDP "ausdrücklich auf". Auch deshalb steht Aufstieg vor der Gerechtigkeit.

Kurt Beck gilt in vielen Medien als Ursache des Unglücks der SPD. Das ist, zum Teil, ungerecht. Denn dem SPD-Chef ist, anfangs, einiges geglückt. Er hat mit Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier und Andrea Nahles einflussreiche Vize installiert, die die wirklichen Machtverhältnisse in der Partei spiegeln. Bei der Erhöhung des Arbeitslosengeld 1 hat er eine unhaltbare Stellung geräumt und so das endlose Leiden der SPD unter der Agenda 2010 verkürzt, zumindest gedämpft. Außerdem hat der SPD-Chef die Programmdebatte in Hamburg nicht ungeschickt gemanagt. Das war kein spektakulärer Erfolg, der in den Leitmedien gefeiert wurde. Aber für die Partei war er wichtig. "Beck ist gut im Dialog" meint ein SPD-Parlamentarier - nur reicht das im Moment nicht. Denn in der SPD herrscht ein Stimmengewirr, das nicht verstummt. Oder nur ausnahmsweise, wie am Samstag in Nürnberg, als alle entschlossen sind, Beck zu feiern, und Gesine Schwan, den Liebling der Partei, sowieso. Doch im Berliner Alltagsgeschäft funktioniert die Methode Beck - erstmal abwarten, dann moderieren - nicht.

Und zu einem Gutteil ist Beck dann doch Schuld an der Konfusion der SPD. Sein kardinaler Fehler war es, die SPD auf ein Nein zur Linkspartei in den westlichen Bundesländern festzulegen -- und diese einsame Entscheidung nach der Hessenwahl klammheimlich wieder zurückzunehmen. Damit hat Beck ein Problem verschärft, das ihr wie ein Schatten folgt. Seit Hessen wirkt Beck wie ein Getriebener, seine Fähigkeit zur Selbstkorrektur als Führungsschwäche.

Seitdem befindet sich die Partei in einer sich selbst verstärkenden Abwärtsspirale. Die Umfragewerte sinken, die Machtoptionen schwinden, der innere Zwist steigt. So ist das mediale Bild der Partei. "Es ist übertrieben, aber im Kern stimmt es", sagt ein SPD-Politiker.

Eine Rede kann in dieser Lage die Vektoren verändern. Sie kann im besten Fall den Kreislauf von eigener Verunsicherung und katastrophalen medialen Echo unterbrechen und eine autosuggestive Kraft entfalten. Oskar Lafontaine kann das, die Stimmung herum reißen und plausibel machen, dass man es kann, einfach nur weil man es will. Generalsekretär Hubertus Heil versucht am Ende des Zukunftskonvents diesen Stimmungswechsel zu inszenieren. "Sprecht mir nach: Yes, we can" ruft er in die Messehalle. Aber dieses Zitat, ausgeborgt aus der pastoralen Rhetorik von Barak Obama, wirkt eher hilflos.

Kurt Beck ist kein Lafontaine und auch kein Obama. Das Voluntaristische liegt ihm fern. Er ist kein Rhetoriker, er hebt die Stimme oft, wenn er nur von Ausschüssen redet, die etwas beschlossen haben, und senkt sie manchmal unvermittelt verzagt. Er macht in Nürnberg nichts falsch. Wir, die SPD Führung, sagt Beck selbstkritisch "haben nicht immer das beste Bild abgegeben" ruft er. Und die SPD-Funktionäre, die Landräte und Unterbezirksvorsitzenden, applaudieren. Die Grabenkämpfe sollen endlich aufhören. Es muss besser werden. Es kann nur besser werden.

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