Krise bei den Sozialdemokraten: Der Schachzug des Herrn Beck

Der SPD-Vorsitzende demonstriert Zufriedenheit mit sich und der Partei: Die Öffnung zur Linken war nötig, zu Eruptionen hätte sie so oder so geführt.

Der Kapitän hat weiter das Kommando. Keine Meuterei, nirgends. Bild: rtr

BERLIN taz Fast genau zwei Wochen war der SPD-Vorsitzende der Hauptstadt ferngeblieben. Mit eitriger Stimmbänderentzündung hatte er sich am Morgen nach dem Hamburger Wahlabend ins heimische Steinfeld abgemeldet, an diesem Sonntagabend war er auf dem Flughafen Tegel wieder eingetroffen, unter einer medialen Aufmerksamkeit, als gelte es, die Vitalität des kubanischen Revolutionsführers unter Beweis zu stellen.

Und was sagt Kurt Beck nach seiner Rückkehr am Montag als Erstes vor der Bundespressekonferenz? Genau das, was er vor seiner Abreise als Letztes hinterließ. Sollte er durch sein leichtfertiges Plaudern über die rot-rote Option kurz vor der Hamburg-Wahl der Partei geschadet haben, "dann bedauere ich dies".

Den Rest erklärte Beck überraschend zur Strategie. Spätestens nach den Wahlen in Hessen und Niedersachsen sei ihm klar geworden: Der Versuch war gescheitert, die - wie Beck immer noch sagt - "sogenannte Linke" aus westdeutschen Landesparlamenten herauszuhalten. Wenn sich in Hamburg eine schwarz-grüne Koalition abzeichne, dann könne sich die SPD im Fünfparteiensystem "natürlich auch nicht einmauern lassen".

Das Verhältnis zur Linkspartei habe man also "weiterentwickeln" müssen, so der SPD-Chef, und diese Frage habe er sowieso mit seinen Stellvertretern besprechen wollen - am Mittwoch nach der Hamburg-Wahl. Dass ein gewisser Kurt Beck die Pläne vorzeitig ausplauderte, habe zu einem "gewissen Galopp in den Abläufen" geführt - eine menschliche Schwäche, die der SPD-Vorsitzende aber gerne bereit ist zu verzeihen. Denn über den "Diskussionsprozess" sagt er auch: "Wie immer wir ihn begonnen hätten, hätte er kaum zu weniger Eruptionen geführt." Mit dem Resultat ist er jedenfalls zufrieden: dem SPD-Beschluss, der den Landesverbänden eine Zusammenarbeit mit der Linken freistellt. "Das Ergebnis, das wir jetzt haben, entspricht dem, was meinen Überlegungen entspricht."

Einen Wortbruch kann Beck darin nicht erkennen. Die hessische SPD habe "eine feste Absicht" gehabt und leider erkennen müssen, "dass die Wähler anders entscheiden". Seine persönliche Glaubwürdigkeit büße er dadurch nicht ein. "Das Einzige, was ich verloren habe während dieser Krankheit, und das gerne, sind zirka fünf, sechs Kilo."

Und die vorerst verhinderte hessische Ministerpräsidentin Andrea Ypsilanti? Ihr Verhalten mag der Bundesvorsitzende "öffentlich" nicht kritisieren. "Sie hat ohnehin viel durchzustehen - bis tief in die menschlichen Bereiche hinein." Gleichwohl gab Beck den Hessen den guten Ratschlag, man solle "nicht zweimal mit dem gleichen Kopf an die gleiche Wand rennen". Was aber keinesfalls bedeute, dass man den Kopf auswechseln müsse. "Es könnte ja sein, dass die Wand eingerissen wird in den kommenden Jahren", dass in Hessen "nach bestimmten Schamfristen Lagerbildungen sich auflösen".

Auf Bundesebene gilt das für 2009 allerdings nach wie vor nicht. Detailliert blätterte der SPD-Chef die "unverantwortliche Positionierung" der Linken zu Europäischer Union und Nato vor den Journalisten auf.

Parteiintern hofft der Vorsitzende nun auf einen "Katz-und-Maus-Effekt", sprich: Da Kater Beck nun wieder im Hause weilt, werden die SPD-Mäuse schon nicht mehr auf den Tischen tanzen. Seine Stellvertreter allerdings mochte Beck ausdrücklich nicht als "Mäuse" qualifiziert wissen. Als stünde er vor Gericht, sagte Beck: "Die heutige Aussage, die ich hier mache, ist mit meinen Stellvertretern gemeinsam entwickelt worden."

Die Partei soll jetzt erst mal über die Linke diskutieren - allerdings nicht mehr über die neue Strategie, denn die sei mit den Beschlüssen der vergangenen Wochen ja festgezurrt. Sondern nur noch über die "Inhalte", über die man sich mit der Linken auseinandersetzen wolle. Höhepunkt und Abschluss der Debatte: eine "Funktionärskonferenz" am 31. Mai in Nürnberg.

Der schleswig-holsteinische SPD-Vorsitzende Ralf Stegner, Mitautor eines Thesenpapiers linker Sozialdemokraten zur Zusammenarbeit mit der Linkspartei, entwickelte gestern schon mal Perspektiven für die Kieler Regierungsbildung nach der Landtagswahl 2009. Wenn die Linke "wider Erwarten" in den Landtag einziehe, sagte er der taz, dann müsse man "nüchtern gucken: Passen Programme und Personen zusammen?" Das gelte "für alle Konkurrenzparteien, nur für die Nazis nicht". Schließlich wähle auch die Union "ungehemmt jede Konstellation zum Machterhalt".

Mitarbeit: Georg Löwisch

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