Urteil im G-8-Prozess: Bundesrichter kassieren Terrorvorwurf

Die Razzien im Vorfeld des G-8-Gipfels waren unzulässig, entscheidet der Bundesgerichtshof - und attestiert damit Generalbundesanwältin Monika Harms handwerkliche Inkompetenz.

Die bundesweite Großrazzien im Vorfeld des G-8-Gipfels hatten keine Rechtsgrundlage. Bild: dpa

Die Terror-Ermittlungen gegen Globalisierungsgegner im Vorfeld des G-8-Gipfels waren rechtswidrig. Das stellte gestern der Bundesgerichtshof (BGH) fest. Es habe keinen Terrorverdacht gegeben, die Bundesanwaltschaft habe sich zu Unrecht zuständig gefühlt.

Mit 900 Polizisten wurden am 9. Mai rund 40 Wohnungen und linke Kulturzentren in Norddeutschland durchsucht. Die Ermittlungen richteten sich gegen eine angebliche terroristische Vereinigung, die versucht haben soll, den G-8-Gipfel in Heiligendamm zu stören oder gar zu verhindern. Anlass für die Razzien waren zwölf Brandanschläge gegen Fahrzeuge oder Gebäude, die sich aufgrund von Bekennerschreiben einer "militanten Kampagne" gegen den G-8-Gipfel zurechnen ließen. Ermittelt wurde gegen 18 Personen, festgenommen wurde niemand. Fast alle Betroffenen erhoben Beschwerde gegen die Polizeiaktion. Über die Beschwerde des Hamburger Physikers Fritz Storim entschied gestern der 3. Strafsenat des BGH unter dem designierten Gerichtspräsidenten Klaus Tolksdorf.

Die Bundesanwaltschaft sei für das Ermittlungsverfahren gar nicht zuständig gewesen, weil die Brandanschläge nicht geeignet waren, den "Staat erheblich zu gefährden". Es habe sich nicht um Anschläge gegen Personen gehandelt, die Tätigkeit des Staates oder von Privatleuten sei "nicht nennenswert" behindert gewesen, eine Einschüchterung der Bevölkerung habe nicht vorgelegen. So hatte der BGH schon im November in einem ähnlichen Beschluss die Abstufung der Berliner "militanten Gruppe" von der terroristischen zur kriminellen Vereinigung begründet. Damals hatte der BGH aber immerhin der Bundesanwaltschaft noch die Ermittlungszuständigkeit gelassen, weil es sich um einen Fall von "besonderer Bedeutung" handele. Diesmal lehnte der BGH selbst diese Trostpflaster ab.

Grund für die harsche Linie ist vermutlich, dass der BGH auch massiv in Frage stellte, dass die Anschlagsserie überhaupt von einer einheitlichen Vereinigung geplant und verübt wurde. Dagegen sprach schon, dass die Anschläge unter verschiedensten Namen begangen wurden. Sprachliche Übereinstimmungen hätten "allenfalls äußerst geringen Beweiswert". Dass die Beschuldigten einer solchen Vereinigung angehört haben könnten, beruhe auf "bloßen Vermutungen". Treffen mit anderen G-8-Gegnern besagten gar nichts. So weitgehende handwerkliche Inkompetenz hat der BGH Generalbundesanwältin Monika Harms noch nie attestiert.

Der BGH stellte allerdings klar, dass es sich bei den Anschlägen um Straftaten handelt, die "nachhaltig zu verfolgen und zu ahnden" sind. Zuständig seien dafür allerdings die Staatsanwaltschaften der Länder. Ob es dort zu neuen Ermittlungsverfahren etwa wegen Brandstiftung kommt, bezweifelt Carsten Gericke, der Anwalt von Storim. "Es wurde ja keinem Beschuldigten die Teilnahme an einem konkreten Anschlag vorgeworfen", so Gericke zur taz. Es sei immer nur um die Mitgliedschaft in einer Vereinigung gegangen. "Die beschlagnahmten Gegenstände müssen den Betroffenen nun sofort zurückgegeben werden", sagte Gericke.

Abgelehnt wurde vom BGH allerdings die Beschwerde Storims gegen die Abnahme von Geruchsproben. Gegen die Anordnung einer solchen Probe durch den BGH-Ermittlungsrichter sei laut Gesetz keine Beschwerde zulässig. Fünf der Beschuldigten mussten im letzten Mai Metallröhren anfassen, an denen ihr Geruch haften blieb. Die Geruchsproben führten zu keinem Ergebnis und wurden zwischenzeitlich vernichtet.

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