Großdemo in Berlin: Comeback der Anti-Atom-Bewegung

Zur Demonstration nach Berlin kamen rund 50.000 Atomkraftgegner aus ganz Deutschland. Mehr als vom Veranstalter erwartet. Für die Grünen war es ein grandioser Wahlkampfauftakt.

Ironischer Protest während der Anti-AKW-Demo in Berlin. Bild: ap

Die Anti-Atom-Bewegung demonstriert neue Stärke. Mehr als 50.000 Atomkraftgegner aus dem gesamten Bundesgebiet haben am Samstag die Berliner Innenstadt bevölkert – und damit deutlich mehr als zuvor erwartet. Begleitet wurde der Demonstrationszug von 50 Traktoren aus dem niedersächsischen Wendland. „Statt der Renaissance der Atomkraft erleben wir die Renaissance der Anti-Atom-Bewegung", rief der langjährige Anti-Atom-Aktivist Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Umwelt Lüchow-Dannenberg auf der Abschlusskundgebung vor dem Brandenburger Tor den Demonstranten entgegen.

Martin Donat, stellvertretender Landrat des Landkreises Lüchow-Dannenberg, sprach von der größten Anti-Atom-Demonstration seit 1986 – dem Jahr des GAUs von Tschernobyl.

Der bunte Zug der Demonstranten wurde beherrscht von gelb-roten Fahnen mit dem Schriftzug "Atomkraft? Nein danke". Viele der Traktoren zogen Anhänger. Ein Wagen war mit gelben Fässern beladen. Darauf standen große Puppen in Anzügen und mit Schweineköpfen in kämpferischen Posen, die Fahnen schwenkten. „Der Trog bleibt, die Schweine wechseln", war an den Wagenseiten zu lesen.

Bereits am frühen Morgen war die Hauptverkehrsader vom Westen in die Innenstadt von einem kilometerlangen Treck blockiert. Rund 400 Traktoren hatten sich vom Wendland auf den Weg nach Berlin gemacht und die Nacht vor den Toren der Hauptstadt verbracht. Unter dem Motto „Mal richtig abschalten“ bildete die Großdemonstration am Samstag den Höhepunkt des so genannten Gorleben-Trecks.

Die von Umweltverbänden und Bürgerinitiativen getragene Demonstration forderte die Stilllegung aller Atomkraftwerke und einen Verzicht auf das geplante Atommüllendlager Gorleben im Wendland. Die 350 Traktoren, die nicht im Demonstrationszug mitfahren durften, nahmen Aufstellung vor dem Brandenburger Tor.

Zugleich war die Demo ein lautstarker Protest gegen eine mögliche Koalition aus Union und FDP, die beide für eine längere Laufzeit eintreten – und eine zentrale Wahlkampfveranstaltung für die Grünen. Neben den vielen gelben Bannern mit der Anti-Atom-Sonne dominierte die Farbe Grün. Die Bundesgeschäftsführerin der Grünen, Steffi Lemke, sprach von „mindestens 5.000“ Demonstranten, die allein von ihrer Partei kamen. Die roten Fahnen der SPD und der Linkspartei waren weit weniger präsent.

„Wir freuen uns über alle, die sich am Protest beteiligen“, sagte der Sprecher der Demonstration, Jochen Stay. „Trotzdem legen wir Wert auf unsere parteipolitische Unabhängigkeit." Auf der Kundgebungsbühne durften Parteipolitiker nicht sprechen. Lemke zeigte sich dennoch begeistert über die hohe Teilnehmerzahl. Die Menschen hätten den Ernst der Lage erkannt, so die Grünen-Geschäftsführerin. Komme es zu einer schwarz-gelben Mehrheit, drohe dem Land ein Ausstieg aus dem Ausstieg.

Zugleich war die Demonstration ein Treffen der Generationen. Atomkraftgegner mit grauen Haaren zogen gemeinsam mit jungen Schülerinnen und Schülern durch die Straßen. Auch die Abschlusskundgebung zeigte, wie der Widerstand gegen Atomkraft von einer Generation an die nächste weiter gegeben wird. Als Redner trat unter anderem Heinrich Pothmer auf, der vor 30 Jahren beim legendären Treck der Gorlebener Bauern nach Hannover gesprochen hatte. Er reichte das Mikrofon jedoch gleich an seinem 25-jährigen Sohn Fritz weiter. „Eigentlich sind die Trecker, mit denen wir heute hier sind nicht zum demonstrieren gebaut und werden auf den Höfen dringend gebraucht“, sagte der Jungbauer, „gerade jetzt zur Kartoffelernte“. „Aber wir können nicht anders“, rief Pothmer der jubelnden Menge entgegen. „Der politische Irrsinn zwingt uns wieder auf die Straße.“

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