Spekulation über Minister zu Guttenberg: Der Traum vom guten Herrscher

Die Spekulationen um Verteidigungsminister zu Guttenberg als Merkel-Nachfolger werden immer waghalsiger. Sie zeugen von einer gänzlich unpolitischen Sehnsucht der Bürger.

"Völliger Scheiß": Verteidigungsminister zu Guttenberg. Bild: dpa

Die Geschichte wäre schnell erzählt, ginge es hierbei um Fakten: Mehrere Medien mutmaßen über einen bevorstehenden Karrieresprung eines Ministers. Der jedoch dementiert wiederholt, und die Medien führen kein einziges Indiz dafür an, dass an der Sache dennoch etwas dran wäre. Punkt. Aber bei der Frage, ob Karl-Theodor zu Guttenberg im kommenden Jahr Merkel als Bundeskanzler nachfolgen könnte, geht es nicht um Fakten. Sondern um weit verbreitete diffuse Sehnsüchte. Deshalb wird uns dieses Gerücht noch längere Zeit begleiten.

Die jüngste Welle des Hörensagens erreichte die Leser am vergangenen Mittwoch. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung, ansonsten auf ihre redaktionelle Trennung von Fakten und Meinung stolz, ließ sich auf Seite 2 aus über die Kanzler-Fähigkeiten des Verteidigungsministers. Fast der gesamte Text muss auf den Konjunktiv zurückgreifen, nicht einmal ein Unions-Hinterbänkler mochte sich damit zitiert sehen, er halte den Minister geeignet für Höheres.

Trotzdem war der Spiegel alarmiert. Die aktuelle Ausgabe wirbt mit einer Titelgeschichte über "Die fabelhaften Guttenbergs". Untertitel: "Paarlauf ins Kanzleramt". Auch sie kommt ohne Belege aus. Im Gegenteil. Wiederholt bestreitet der CSU-Mann darin Ambitionen für den Fall, dass er nach einer verloren gegangenen Landtagswahl in Baden-Württemberg im März 2011 Merkel im Kanzleramt ersetzen werde. Solche Vermutungen seien "bizarr", "fern aller realistischen Betrachtungen" und, falls das nicht deutlich genug war, "völliger Scheiß".

Dies hindert den Spiegel nicht daran, selbst die geringsten Taten des "Menschenfischers" in atemlosen Tonfall zu beschreiben: "Er steht da, breitet die Arme aus wie auf dem berühmten Foto vom Times Square, dreht sich nach rechts, dreht sich nach links, tanzt fast und schafft es in kurzer Zeit, fast jedem Soldaten in die Augen zu sehen." Das muss Liebe sein.

Derlei Beschreibungen zeigen gut, worum es tatsächlich geht bei der öffentlichen Aufmerksamkeit für den 38-jährigen Freiherr von und zu Guttenberg. Es geht um die - nicht nur in Deutschland - tief verwurzelte Sehnsucht vieler Menschen nach einem gütigen, gerechten, vertrauenerweckenden Herrscher, den sie guten Gewissens anhimmeln können. Das hat wenig mit Politik zu tun. Genauer: Es ist das Gegenteil von Politik.

Politische Entscheidungsfindungen sind anstrengend, kompliziert und langwierig, und sie stellen selten irgendwen zufrieden. Um die Notwendigkeit, Kompromisse zu finden, wissen zwar die meisten Bürger. Aber sie ist unsexy. Der Wunsch nach Menschen oder Institutionen, die ihnen versprechen, sie nicht damit zu behelligen, ist groß. Vergangene Woche belegte dies erneut eine Studie im Auftrag der Friedrich-Ebert-Stiftung. Jeder vierte Deutsche war demnach für eine "starke Partei", über 10 Prozent der Befragten wollten einen "Führer".

Dies bedeutet natürlich nicht, dass jeder, der den adligen Bayern mit der Gelfrisur sympathisch findet, ein Befürworter eines totalitären Systems ist. Vielmehr funktionieren zu Guttenberg und seine Frau Stephanie gerade deshalb so gut als Projektionsfläche für Entlastungs-Fantasien, weil sie nichts Übermenschliches haben. Sie sind - zumindest in den Augen vieler - hübsch und klug, aber zugleich bodenständig genug, um nicht Neid zu erwecken. Ähnliches spielte sich bei der Begeisterung für Joachim Gaucks Präsidentschaftskandidatur ab - vom hübschen Äußeren einmal abgesehen. Doch während Gauck perfekt war für die Rolle des weisen, reifen Königs, ist zu Guttenberg wie gemacht für den Part des strebsamen Thronfolgers.

Deshalb die herbeigeschriebene Debatte über seinen Karriereschritt ins Kanzleramt. Daher auch die seltsame Ungerührtheit seiner Bewunderer ob des Umstands, dass sich der populäre Minister politisch kaum verbindlich einordnen lässt. Oder die Tatsache, dass er bislang keine politischen Erfolge zu verbuchen hat. Selbst die geplante Aussetzung der Wehrpflicht, zugegebenermaßen noch vor einem Jahr für die Union undenkbar, ist bislang nicht umgesetzt. Das schmälert die Bewunderung nicht, die manche Medien für ihre Auflagen nutzen und so verstärken. Ein Thronfolger ist ein Versprechen, das noch nicht enttäuscht ist.

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