Nach der Bundespräsidentschafts-Wahl: Die Nacht der langen Messer

Nach der mühsamen Präsidentschaftswahl streitet die Regierung weiter um fast alle Themen. Einiges erinnert an die Zeit vor der Neuwahl-Entscheidung Gerhard Schröders.

Nach der Bundespräsidenten-Wahl: Westerwelle und Merkel auf dem Hessenfest in Berlin. Bild: dpa

Schon am Donnerstagnachmittag trafen sie sich wieder, um 15 Uhr im Kanzleramt. Angela Merkel, Guido Westerwelle, Horst Seehofer. Die drei Parteivorsitzenden jener Koalition, die sich seit acht Monaten durchs politische Deutschland schleppt. Krisensitzungen, Regierungskommissionen, vertagte Entscheidungen. Das Übliche. Diesmal war die Gesundheitspolitik dran. Fortsetzung an diesem Freitag, Ausgang offen.

Am Vorabend hatten die drei ihren Präsidentschaftskandidaten Christian Wulff durch die Bundesversammlung gebracht, im dritten Wahlgang. Erschöpft konnten sie ihn spätabends präsentieren, nach neun Stunden. Ein Erfolg im ersten Wahlgang, auf den die Unionsspitze zuletzt hoffte, hätte das Regierungsbündnis vielleicht ein klein wenig stabilisieren können.

Lang ist die Liste der offenen Themen. Neben der Gesundheit ist es der Streit über längere Atomlaufzeiten, der zuletzt vertagt wurde, und der Konflikt um Steuererhöhungen, der wohl die parlamentarische Sommerpause bestimmen wird. Bis zum Herbst soll alles entschieden sein, aber stehen dann nicht schon die wichtigsten Landtagswahlen des nächsten Jahres an? Vor allem, wenn auch Nordrhein-Westfalen erneut wählt?

Da ist die Suche nach den mindestens 44 Abweichlern, die Wulff am Mittwoch nicht wählten, fast schon eine Nebensache. Von einer Absprache gehen die meisten Abgeordneten nicht aus. So etwas lasse sich nicht geheim halten, heißt es. Motive gibt es sowieso genug. Unmut über den Zustand der Koalition im Allgemeinen und Merkels einsame Entscheidungen im Besonderen, vom Euro-Rettungspaket über den Zickzackkurs bei den Finanzmarktsteuern bis hin zur Kür des Präsidentschaftskandidaten.

Deshalb spricht einiges dafür, dass der Großteil der Abtrünnigen aus der Union kam. Auch wenn viele in der CDU die FDP-Logik nicht zwingend finden, wonach es in der Partei weitere Wulff-Gegner nicht geben könne, weil sich ja vier bereits bekannt hätten. Öffentlich streiten will man über diese Schuldfrage allerdings nicht.

Als schwach beschreiben Wahlleute der Union das Auftreten der Kanzlerin. Schon beim Empfang am Vorabend empfahl Merkel ihren Kandidaten mit merkwürdigem Unernst. Kinderlachen und Zackigkeit bringe Wulff ins Schloss Bellevue, sagte sie. Das setzte sich fort in den Fraktionssitzungen des Mittwochnachmittags, besonders in der zweiten, vor dem entscheidenden dritten Wahlgang. Den besten Redebeitrag habe der scheidende Parteivize Roland Koch gehalten, hieß es hinterher. Auch Seehofer habe konstruktiv gewirkt. An Merkels Worte konnte sich hinterher kaum noch jemand so ganz genau erinnern.

Und dann hielt Norbert Lammert zur Eröffnung der Bundesversammlung auch noch eine recht ordentliche Rede, der Parlamentspräsident, der als früherer Chef der nordrhein-westfälischen Landesgruppe in der Fraktion ziemlich viel Rückhalt hat und den sich viele im Schloss Bellevue hätten vorstellen können. Wenn er nicht an der Spitze des Bundestags bewiesen hätte, dass er sich Merkels Machtworten nicht immer beugt.

Den nächsten größeren Termin gibt es am kommenden Mittwoch. Beschluss des Sparpakets im Bundeskabinett. Beginn der Debatte über Nachbesserungen. "Handwerkliche Mängel", wie das zu Gerhard Schröders Zeiten hieß. Kurz bevor er Neuwahlen ausrief, nach einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen.

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