Rechtsradikalismus in Brandenburg: Die NPD und die Kinderschaukel

In Biesenthal wird vom Spielplatz eine Schaukel gestohlen. Die örtliche NPD nutzt die Gunst der Stunde und will sich mit einer Spende in die Mitte der Gesellschaft schaukeln.

Wittert in Biesenthal einen "Skandal": die NPD. Bild: dpa

Im Sommer 2009 wurde von dem neuen Kinderspielplatz von Biesenthal, einer Kleinstadt nordöstlich von Berlin, eine "Vogelnestschaukel" gestohlen. Es folgte eine Provinzposse, bei der sich die örtliche NPD als Anwalt der Bürger im Kampf gegen die gleichgültigen Stadtoberen zu präsentieren versuchte.

Akt I - Auftakt

Die Eltern der "Spielplatzinitiative" informierten die Stadtverwaltung und beschrieben den Fall außerdem im Internetforum der Stadt. Mehrere Wochen passierte dort erst einmal nichts.

Plötzlich kam Schwung in die Sache: Neben erbosten Eltern meldete sich im Forum auch der Vorsitzende der örtlichen NPD, Mike Sandow, zu Wort. Er schrieb von einer "Tragödie ohnegleichen" für die "Kleinsten in unserer Stadt" und kündigte eine Spende seines Kreisverbands an - für die Schaukel.

Akt II - Zwischenspiel

Ist dieses Spendenangebot eine einmalige Aktion? Oder steckt hinter dem Interesse der NPD für das Spielgerät eine neue Taktik, um Familien und langfristig auch Jugendliche anzusprechen?

Wegzudenken aus dem Ort ist die rechtsextreme NPD schon längst nicht mehr. Bei den Landtagswahlen im September dieses Jahres kam sie auf ungefähr 7 Prozent, eine dreimal so hohe Quote wie im Landesdurchschnitt. Angesichts dieser Wahlergebnisse reagiert der Bürgermeister André Stahl (Die Linke) seltsam gelassen. Es seien vor allem Protestwähler, die für das hohe Ergebnis gesorgt hätten, der Einfluss der NPD sei begrenzt.

Ansätze einer rechtsextremen Jugend- und Familienstrategie sind in der Region vorhanden. So bewarb sich vor wenigen Wochen die Frau des NPD-Vorsitzenden als Elternsprecherin der Grundschule des Orts. Die Bernauer "Polit-AG" sieht das so: Durch das positive, ehrenamtliche Engagement werde das rechtsextreme Gedankengut der Person erst einmal nicht beachtet, welches dadurch aber "Schritt für Schritt von der Umgebung anerkannt und salonfähig" werden würde. Als Elternsprecherin wurde die Frau übrigens nicht gewählt.

Das "Netzwerk für Toleranz und Weltoffenheit" Bernau beobachtet außerdem, dass die NPD einen Schwerpunkt ihrer Arbeit auf Biesenthal legen werde. Hier soll die Firma eines aktiven NPD-Mitglieds das Grundstück eines ehemaliges Asylbewerberheims gekauft haben, um dieses in ein Schulungszentrum für Neonazis umzubauen.

Neben diesen relativ unsichtbaren und scheinbar harmlosen Mitteln setzt die NPD auch auf offensive Aktionen. Im Vorfeld der Wahlen verteilten die Glatzköpfe, unterwegs mit Lautsprecherwagen, an mehreren Schulen die NPD-Bonbons, Flugblätter oder Schulhof-CDs. "Etwas anderes als Buhrufe oder Mittelfinger haben die Nazis bei uns aber wohl nicht erlebt", meint ein 17-jährige Schüler über die Reaktionen der Schüler seines Gymnasiums.

Trotz der unübersehbaren rechtsextremen Tendenzen leben in Biesenthal aber vorwiegend linksalternative und engagierte Menschen. Sie riefen nach Bekanntwerden des Gerüchts, dass ein NPD-Schulungszentrum in ihrem Ort entstehen sollte, kurzerhand ein Straßenfest mit dem Motto "Bunt statt braun" ins Leben.

Akt III - Finale

Nur Stunden nach dem NPD-Spendenaufruf kündigte Bürgermeister Stahl an, dass die Stadt 1.000 Euro für eine neue Schaukel aufbringen werde. Auch andere Menschen der Region erklärten sich plötzlich bereit, den benötigten Betrag zu spenden. Um Geld ging es hier längst nicht mehr - sondern darum, den potenziellen Einfluss der Rechten zu begrenzen.

Die NPD Barnim hatte ihre Schaukelspende an die Stadtverwaltung bereits überwiesen und lobte sich anschließend ausgiebig auf ihrer Internetseite. "Es ist wichtig, dass die NPD als einzige Oppositionspartei in der BRD bei dem etabliertem Parteienklüngel immer wieder auf Missstände aufmerksam macht" - etwa das Fehlen einer Schaukel.

Das Amt nahm die Spende an, was der NPD nun wiederum nicht recht war. Auf der Internetseite der Partei witterte der Vorstand einen "Skandal" und mutmaßte, dass die Spende womöglich "linksextremistische[n] Jugendprojekte[n]" zugutekommen könnte. Die Rechten drohten mit einer Klage, beließen es aber bei der Ankündigung.

Vielleicht weil die gespendete Summe der NPD nicht mal für eine Schaukel reichte. Die NPD spendete 75 Euro.

Akt IV - Nachspiel

Schon mehrere Wochen nach dem vermeintlichen "Skandal" spielten die Kinder auf der neuen Schaukel, die von der Stadt finanziert wurde. Der Finanzausschuss beschloss unterdessen, dass die Spende der NPD eingesetzt wird, um Hakenkreuze und Schmierereien von den Spielgeräten zu entfernen.

***Anmerkung der Redaktion:

Mike Sandow legt Wert auf die Feststellung, dass er nicht Vorsitzender der NPD Biesenthals ist, sondern dass er vielmehr bis vor zwei Jahren Vorsitzender des NPD-Kreisverbandes Barnim-Uckermark war. Seine Frau sei als Elternsprecherin nicht gewählt worden, da sie sich um diesen Posten gar nicht beworben habe.

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