Vor Prozess gegen Ex-RAF-Terroristin: Dokument entlastet Becker

War Verena Becker zur Zeit des Buback-Attentats in Bagdad? Ja, sagt der Verfassungsschutz. Nebenkläger Michael Buback warnt: Die Ex-Terroristin werde immer noch geschützt.

Wer hat geschossen? Zugedeckte Leichen am Tatort des Buback-Attents in Karlsruhe am 7. April 1977. Bild: dpa

FREIBURG taz | Wenige Tage vor Beginn des RAF-Prozesses gegen Verena Becker steigt die Spannung. Der Verfassungsschutz hat dem Oberlandesgericht Stuttgart ein Dokument überreicht, das die Angeklagte entlastet. Möglicherweise war Becker gar nicht in Deutschland, als am 7. April 1977 Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seine zwei Begleiter von der RAF erschossen wurden.

Die Bundesanwaltschaft hält Verena Becker zwar nicht für die Schützin, aber doch für eine Mittäterin des Attentats. Sie sei unter anderem dabei gewesen, als am Vortag des Anschlags in Karlsruhe der Tatort ausgespäht wurde. Nebenkläger Michael Buback ist sogar davon überzeugt, dass Becker damals selbst auf seinen Vater geschossen hat.

Der Verfassungsschutz hat dem Gericht nun aber einen bisher unbekannten Vermerk übersandt, wonach Becker und ihre RAF-Genossin Brigitte Mohnhaupt im April 1977 in Bagdad waren. Das berichtet der Spiegel in seiner neuesten Ausgabe. "Zum Zeitpunkt des Buback-Anschlags waren sie abwesend", so stehe es in dem Vermerk vom 16. November 1981, der auf Aussagen beruht, die Becker damals gegenüber dem Verfassungsschutz machte.

Michael Buback ärgert sich über diese Intervention kurz vor Prozessbeginn. "Die nachgereichten Informationen wirken auf mich wie ein neuerlicher, allerdings besonders massiver Versuch, eine schützende Hand über Verena Becker zu halten."

Die Becker-Akten des Verfassungsschutzes hätten sich schon in anderem Zusammenhang als "nicht verlässlich" erwiesen, sagte Buback am Sonntag der taz. So soll Becker gegenüber dem Verfassungsschutz 1981 ihren Ex-RAF-Kollegen Stefan Wisnewski als Schützen beim Buback-Attentat benannt haben. Zwei Vermerke über Beckers damalige Aussage sind bereits in das Verfahren eingeführt. Buback junior ist aber aufgefallen, dass die Passage über Wisniewski gar nicht im Vermerk über die Vernehmung Beckers steht, sondern nur in einem zusammenfassenden Vermerk der Auswerter. "Ich finde keine andere Erklärung, als dass die Akte manipuliert wurde", so Buback jetzt zur taz.

Auch die Bundesanwaltschaft hat bisher gegen Wisniewski keine Anklage erhoben. Sie geht bis heute davon aus, dass der Anschlag von Christian Klar, Günter Sonnenberg und Knut Folkerts durchgeführt wurde. Zwei Männer sollen auf dem Tatmotorrad gesessen haben, einer im Fluchtfahrzeug.

Doch Buback glaubt, dass er im Prozess eine stärkere Beteiligung Beckers beweisen kann. "Mir sind inzwischen etwa 20 Zeugenaussagen bekannt, die alle darauf hindeuten, dass eine Frau hinten auf dem Motorrad saß", sagte Buback jetzt. Neun dieser Aussagen hat Buback erst vor Kurzem im Generallandesarchiv in Karlsruhe entdeckt. Dorthin hatte das Polizeipräsidium Karlsruhe seine Akten zum Buback-Mord abgegeben. So konnten bestimmte Teile der Spurenakten rekonstruiert werden, die das Bundeskriminalamt 1994 vernichtete.

Die Bundesanwaltschaft hält jedoch an ihrer Version fest: "Am Tattag haben mehrere Zeugen zwei Männer auf dem Motorrad gesehen, die Aussagen dieser Zeugen stimmen im Kerngeschehen und im Randgeschehen im Wesentlichen überein", so die Ermittler auf Anfrage der taz, "soweit einzelne Zeugen auch eine Frau am Tattag auf dem Motorrad gesehen haben wollen, stimmen deren Aussagen zum Randgeschehen nicht überein", seien also nicht glaubwürdig.

Der Mammutprozess, der auf ein Jahr angelegt ist, wird am Donnerstag beginnen. Im Mittelpunkt wird dabei wohl nicht Verena Becker und ihre Verteidigung stehen, sondern die Auseinandersetzung zwischen der Anklagebehörde Bundesanwaltschaft und dem Nebenkläger Michael Buback.

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