Debatte über zukünftigen Verfassungsrichter: Drei beraten über Dreier

Die SPD-Fraktion verhandelt heute mit CDU und CSU darüber, ob der umstrittene Würzburger Rechtsgelehrte Dreier doch Vizechef des Verfassungsgerichts werden darf.

Pro Asyl und die Union haben wenigstens eins gemeinsam: Horst Dreier wollen sie in diesem Gebäude nicht Recht sprechen lassen. Bild: dpa

FREIBURG taz Trotz Angriffen von links und rechts steht die SPD zu dem Würzburger Staatsrechtler Horst Dreier, der nach ihrem Vorschlag Vizepräsident des Bundesverfassungsgerichts werden soll. Am Montag verhandelt die SPD erneut mit der CDU/CSU - ein Versuch, die für Freitag im Bundesrat geplante Wahl noch zu retten. Eine Telefonkonferenz am letzten Dienstag war ergebnislos geblieben.

Einig sind sich Kritiker von der Linkspartei bis zur Union, dass Dreiers Aussagen zur Folter inakzeptabel sind. Dreier will "nicht von vornherein ausschließen", dass die Polizei zum Schutz der Würde eines Entführungsopfers per Folter in die Würde eines verhafteten Entführers eingreifen darf. Die herrschende Auffassung, dass die Menschenwürde nie abwägbar ist, hält Dreier für "anfechtbar", schreibt er in einem Grundgesetzkommentar.

Neben amnesty international haben inzwischen auch Pro Asyl, die Neue Richtervereinigung und das Netzwerk Campact dazu aufgerufen, Dreier nicht zu wählen. Den Campact-Aufruf "Staatliche Folter muss tabu bleiben" haben bereits fast 10.000 Menschen unterstützt.

In der SPD blieben die Appelle bisher erstaunlich resonanzlos. Justizministerin Brigitte Zypries sagte jüngst, sie halte die Vorwürfe "für völlig überzogen und unbegründet." Zypries hat allerdings selbst 2003 in der Diskussion über Folterdrohungen des Frankfurter Polizei-Vizes Wolfgang Daschner von "rechtfertigendem Notstand" gesprochen. Anders als Dreier korrigierte sie inzwischen ihre Position.

In den Gesprächen mit der Union dürfte es allerdings weniger um Folter und mehr um den Embryonenschutz gehen. Dreier geht davon aus, dass erst dem "geborenen Menschen" Menschenwürde zukommt. Die strengen deutschen Regeln zum Schutz des Embryos vor Forschungen könnten deshalb ohne weiteres gelockert werden. Das wollen zwar auch Teile der Union, umso heftiger greifen sie dafür Dreier an. "Herr Dreier vertritt in der Frage der Menschenwürde und des Lebensschutzes fundamental andere Positionen als die CSU", sagte etwa am Wochenende Bayerns Ministerpräsident Günter Beckstein.

Auf Unverständnis stieß außerdem, dass Dreier den christlichen Kirchen vorhält, sie hätten erst spät ein positives Verhältnis zu den Menschenrechten entwickelt. Diese hätten "vielfach gegen den Widerstand" der Kirchen erkämpft werden müssen. Laut FAZ gingen Unionsvertreter in den Ländern deshalb davon aus, Dreier sei ein "kämpferischer Atheist". Tatsächlich ist Dreier aber sogar Mitglied des Hochschulbeirats der Evangelischen Kirche.

Wenn Dreier am Freitag nicht gewählt wird, muss der jetzige Vizepräsident des Verfassungsgerichts, Winfried Hassemer, im Amt bleiben, bis ein Nachfolger gefunden ist.

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