Katerstimmung nach dem Jubel: Endgültiges Rauchverbot ab 2009?

Die Freunde des öffentlichen Rauchens haben zu früh gejubelt: Das Rauchurteil könnte längerfristig zum Qualm-Verbot in der gesamten Republik führen.

Bald doch wieder überall? Bild: dpa

BERLIN taz Sylvia Thimm wird sich über ihren Sieg vor Gericht womöglich bald sehr ärgern. Die Berliner Musterklägerin hatte es zwar am Mittwoch geschafft, dass das Bundesverfassungsgericht die Rauchverbotsgesetze mehrerer Bundesländer für verfassungswidrig erklärte. Doch der vermeintliche Triumph der Kneipenraucher könnte sich bald als Pyrrhus-Sieg erweisen. Denn die Länder müssen nun bis Ende 2009 ihre Rauchverbotsgesetze ändern. Auch weil der Bund Druck macht, könnte am Ende ein totales Rauchverbot in Gaststätten stehen.

Einer der prominentesten Befürworter eines Rauchverbots, der SPD-Bundestagsabgeordnete Lothar Binding, sagt der taz: "Wenn die Länder sich nicht zeitnah auf eine verfassungskonforme und für die Wirte verlässliche Regelung einigen, ist die Bundesregierung in der Pflicht." Und deren Haltung ist klar: "Nur mit einem absoluten Rauchverbot kann letztlich das vorrangige Ziel des Gesundheitsschutzes gewährleistet werden", urteilt die Drogenbeauftragte der Unions-Fraktion, Maria Eichhorn.

Die Mehrheit der Karlsruher Richter hatte am Mittwoch doppelbödig entschieden: Der Gesetzgeber könne durchaus ein "striktes, absolutes Rauchverbot" in Gaststätten verhängen. Falls er aber mit Rücksicht auf die finanziellen Interessen der Wirte Ausnahmen vom Verbot zulässt, dürften beispielsweise Eckkneipen ohne getrennten Raucherbereich nicht darunter leiden.

Der Bund hatte 2006 die Länder bei Rauchverboten für zuständig erklärt. Deren Regelungen sehen in den meisten Fällen Verbote mit Ausnahmebestimmungen vor - und müssen nun laut Verfassungsgericht bis spätestens Ende 2009 geändert werden. So lange darf in Gaststätten, die aus nur einem Raum bestehen, maximal 75 Quadratmeter groß sind, keine Minderjährigen einlassen und keine "zubereiteten Speisen" anbieten, wieder geraucht werden. Bundesweit sind das rund 68.000 Kneipen.

Der SPD-Abgeordnete Binding fürchtet verfassungsrechtliche Probleme, sollten die Länder unterschiedliche Gesetze voller Ausnahmen verabschieden. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass 16 Ländervertreter an einem Tisch sitzen und keiner eine Extrawurst will", sagt Binding.

In Berlin beispielsweise - der Heimat der Karlsruher Klägerin Sylvia Thimm - weist vieles auf ein totales Rauchverbot. Gesundheitsstaatssekretär Benjamin Hoff (Linke) sagt, der Senat stehe für den "Vorrang des Gesundheitsschutzes" ein. Andere Länderregierungen wie die CDU-FDP-Koalition in Baden-Württemberg hingegen sind noch unentschieden.

So haben die Karlsruher Richt unfreiwillig ein Reizthema für den anstehenden Bundestagswahlkampf geschaffen. Eine der meist gestellten Bürgerfragen im kommenden Jahr könnte lauten: Wie halten Sie es mit dem Rauchverbot? Die CSU-Regierung in Bayern beispielsweise hat, um ihre Wähler nicht zu vergraulen, das Qualmen in Bierzelten erlaubt, in Gaststätten jedoch prinzipiell verboten. CDU und SPD pochen im Bund auf strikte Rauchverbote, hingegen kündigte die CDU-geführte Regierung in Nordrhein-Westfalen bereits an, Ausnahmen zu erlauben. Gegen strengere Regeln protestiert auch die FDP. Deren drogenpolitischer Fraktionssprecher Detlef Parr fordert "Wahlfreiheit statt absoluter Verbote".

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.